Nanni Moretti: „Verweigerung ist ein Akt der Stärke“

Wien (dpa) - Der italienische Filmemacher Nanni Moretti wirft in seinem neuen Film „Habemus Papam“ einen Blick hinter die Mauern des Vatikan. Er erzählt ein Märchen von einem, der Nein sagt, und damit ein mächtiges System infragestellt.

Er wolle damit keine generelle Aufforderung formulieren, sagte Moretti in einem Interview während des Filmfestivals Viennale in Wien, wo sein neuer Streifen gezeigt wurde. Doch er hält es für einen Akt der Stärke, die eigenen Grenzen zu erkennen.

Ihr Protagonist wagt es, Nein sagen, in dem Moment, wo er am Ziel zu sein scheint. Höher geht es nicht mehr. Was wäre anders, wenn mehr Menschen an der Macht Nein sagen würden und damit zugeben, dass sie überfordert sind?

Moretti: „Es wäre vor allem eine Humanisierung der Macht. Mir ging es gerade um die Geschichte eines Papstes, der Nein sagt. Wenn sich die Geschichte um einen Politiker oder einen Wallstreet-Manager drehen würde, wäre das ein viel kleinerer Film geworden. Das ist die Geschichte eines Menschen, der sich weigert. Für mich ist es keine feige Aktion, keine Flucht. Es ist ein Akt der Stärke, wenn man sich mit den eigenen Grenzen konfrontiert und damit abrechnet. Dieser Mann fühlt, dass er, um alle zu repräsentieren, sich selbst ausradieren müsste, sich selbst mit seinen Zweifeln und Ängsten. Das will er nicht.“

Sie zeigen die Kirche und ihre Vertreter sehr menschlich.

Moretti: „Wie man an diesem Film sieht, habe ich keine Konfliktbeziehung zur Kirche. Ich bin nicht mehr gläubig, ich habe einfach keine Beziehung. So kann ich der Kirche auch das Geschenk machen, meinen Papst, meine Kardinäle zu vermenschlichen. Ein Film über Skandale im Vatikan und in der Kirche hätte mich nicht interessiert. Diese Dokumentar- oder Spielfilme werden schon andere drehen. Ich wollte eine Kritik machen, die ein bisschen mehr an den Kern der Sache geht. Für mich erscheint es, dass es für einen Gläubigen noch viel unerwarteter und beunruhigender ist, den leeren Balkon zu sehen.“

Der Psychoanalytiker im Film ist Atheist, aber er erklärt den Kardinälen die Bibel. Würde es der Kirche gut tun, mehr auf Menschen von außen zu hören?

Moretti: „Natürlich. Die Kirche hat sich immer irrsinnig schwergetan, sich zu öffnen oder sich zu ändern. Manchmal hat sie es sehr schüchtern getan und sich sofort zurückgezogen. Wenn am Ende des Filmes Melville sagt, dass es einen großen Wandel bräuchte, ist die Menge am Petersplatz außer sich. Die Menschen erwarten das. Aber mir erscheint es nicht so, als ob die Kirche in einer Situation des Wandels wäre.“

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