Preview: Stuttgarter "Tatort"-Team ermittelt zwischen Puff und Knast

Der letzte neue "Tatort" vor der Sommerpause: Ein Chef von Vollzugsbeamten, der sich "King" nennen lässt. Eine Puffmutter, die vom LKA bezahlt wird. Und ein Mörder, der illegal aus dem Knast kommt. Wäre es nicht der "Tatort", wäre es wohl hanebüchen.

Preview: Stuttgarter "Tatort"-Team ermittelt zwischen Puff und Knast
Foto: SWR/Johannes Krieg

Stuttgart (dpa) - Das Bett im Leoparden-Look, rote Lichterketten. An der Wand baumeln Lederriemen und ein Teppichklopfer, in der Ecke ist ein Käfig montiert. In diesem Bordellzimmer treffen sich die Stuttgarter „Tatort“-Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare), um geheime Infos auszutauschen. So unauffällig wie möglich. Nur die Besitzerin ist eingeweiht. Sie wird vom Landeskriminalamt bezahlt. Einblicke in die Arbeit verdeckter Ermittler und die Netzwerke in einem angeblichen Vorzeigegefängnis will die neue Folge „Freigang“ am Pfingstmontag (20.15 Uhr) im Ersten geben.

Um einen Mord zu klären, schlüpft Lannert in die Rolle eines JVA-Bediensteten. Denn der Hauptverdächtige saß zur Tatzeit eigentlich hinter Gittern, was die Ermittler Verdacht schöpfen lässt. Mit der Zeit lernt Lannert ein Geflecht aus willigen Wärtern und gewieften Gefangenen um einen korrupten Sicherheitschef (Herbert Knaup) kennen. Den nennen sie „King“, er spricht von „seinem Gefängnis“ und „seiner Familie“: „Wir hier drinnen halten zusammen.“

Die Drehbuchautoren Sönke Neuwöhner und Martin Eigler, der auch Regie führte, erzählen eine Geschichte um Vertrauen, Verzweiflung, Verrat und Suizid. Um Familienbande und Scheidung, um Depressionen und Sex. Dass vor und hinter Gittern jeder jeden beobachtet, zeigen immer wieder Szenen, in denen der Monitor der Überwachungskamera abgefilmt wird oder die Kamera durch Scheiben schaut. Alles in allem vielleicht generell etwas viel. Und etwas viel Liebe zu Fiktion. Zwischendurch wird der Zuschauer von einem Panoramablick auf das Gefängnisgelände abgelenkt - inklusive Kamerafahrten entlang von Sicherheitsdraht und Knastmauern, die an eher ein Werbevideo erinnern.

Generell ist die Idee, einen „Tatort“ ausgerechnet im Gefängnis oder um Häftlinge spielen zu lassen, wenig einfallsreich. Erst in der vorletzten Folge aus Stuttgart kooperierten Lannert und Bootz mit einem Ganoven. Bei den Kölner Kollegen starb Anfang dieses Jahres Assistentin Franziska den Fernsehtod als Geisel im Gefängnis. Gegen Nick Tschiller alias Til Schweiger zog die Mafia im März aus der JVA heraus die Fäden. Und erst am 25. Mai wiederholte die ARD die Frankfurter Folge über einen Foltermord im Jugendknast.

„Es ist sehr unglücklich, zwei Gefängnis-"Tatorte" hintereinander zur Prime-Time zu senden“, meint François Werner, Betreiber der Fanseite „tatort-fundus.de“. „Tatorte“ in Gefängnissen habe es zwar immer schon gegeben, in den vergangenen zwei Jahren aber häuften sie sich. „Das finde ich ein bisschen einfallslos und eindimensional.“ Allerdings sind die Stuttgarter aus Werners Sicht eh wenig innovativ. „Daher passt das ins Bild.“ Laut einer Sprecherin des für die Schwaben verantwortlichen Südwestrundfunks (SWR) ist die Häufung allerdings nur Zufall und liegt an den Ideen der Autoren.

In Stuttgart spielen diese unaufgeregt mit üblichen Fragen: Fliegt Lannert auf? Kann die wichtigste Zeugin gerettet werden? Und kippt in letzter Minute noch der skrupellose Plan der vermeintlichen Strippenzieher? Das ist deutlich weniger packend als die Kölner Folge „Franziska“, die aber auch erst um 22.00 Uhr ausgestrahlt wurde. Zu sehen war, wie eine Schlinge um den Hals der röchelnden Assistentin immer enger wurde. Das einzige Stöhnen, das bei den Schwaben zu hören ist, kommt aus einem Nebenzimmer ihres geheimen Besprechungsraums.

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