Stark und doch zerbrechlich - Susanne Lothar stirbt mit 51

Berlin (dpa) - Sie spielte die gedemütigten, verletzten und verzweifelten Frauen. Susanne Lothar, die jetzt mit nur 51 Jahren gestorben ist, ging auf der Theaterbühne und vor der Filmkamera immer bis zum Äußersten.

Sie erkundete das Seelenleben ihrer Figuren bis an die Grenzen der menschlichen Existenz. In ihrer Zartheit und Zerbrechlichkeit, aber auch ungeheuren Zähigkeit verschmolz sie vor den Augen der Zuschauer mit den geschundenen Charakteren, die sie darstellte. Leid und Leidenschaft lagen in Lothars Darstellung immer ganz nah beieinander.

In Michael Hanekes preisgekröntem Schwarz-Weiß-Drama „Das weiße Band“ war sie die Hebamme, die ein Verhältnis mit dem Dorfarzt hat und von ihm in eine schrecklich entwürdigende Lebenssituation gedrängt wird. Für Theatermacher Peter Zadek stand sie in Sarah Kanes Psycho-Folterstück „Gesäubert“ auf der Bühne. In Hanekes beklemmender Gewaltstudie „Funny Games“ spielte Lothar an der Seite ihres Ehemannes Ulrich Mühe, der 2007 im Alter von 54 Jahren an Krebs starb.

Susanne Lothars Tod wurde am Mittwoch vom Anwalt der Familie, Christian Schertz, in Berlin mitgeteilt. Weitere Angaben machte er mit Hinweis auf die Privatsphäre der Familie - zu der als Stieftochter von Lothar auch die Schauspielerin Anna-Maria Mühe gehört - nicht. „Meine Mandanten werden aus nachvollziehbaren Gründen keine weiteren Erklärungen zum Tod von Frau Lothar abgeben oder diesbezügliche Anfragen beantworten“, heißt es in dem Schreiben des Anwalts. „Wir bitten aus Respekt vor der Privatsphäre aller Beteiligten daher auch von derartigen Anfragen Abstand zu nehmen.“

Susanne Lothar wuchs als Tochter des Schauspieler-Paares Hanns Lothar und Ingrid Andree in Hamburg auf. Dort studierte sie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Ihr Filmdebüt in Tankred Dorsts „Eisenhans“ (1983) brachte Lothar gleich den Bundesfilmpreis ein. Ihr Bühnenleben wurde von Regisseuren wie Peter Zadek und Luc Bondy geprägt, in deren Inszenierungen sie immer wieder auftrat.

Berühmt wurde Lothar als Zadeks „Lulu“. Die 1988 am Schauspielhaus Hamburg entstandene Wedekind-Inszenierung sorgte nicht nur mit einer barbusigen Titelheldin für Aufsehen, sondern auch durch Lothars exquisites Spiel. Lothar war auf den Bühnen von Hamburg, Stuttgart und Berlin bis Wien, Salzburg und Zürich zuhause. 1988 wurde sie vom Fachblatt „Theater heute“ zur „Schauspielerin des Jahres“ gewählt.

Beim Film entwickelte sich eine enge künstlerische Zusammenarbeit zwischen Lothar und dem österreichischen Regisseur Michael Haneke, der in seinen Filmen meist Menschen in Extremsituationen zeigt. In seiner Jelinek-Verfilmung „Die Klavierspielerin“ spielte Lothar an der Seite des französischen Stars Isabelle Huppert. Auch in Hanekes Film „Das Schloß“ war sie zu sehen. Die Wahl-Berlinerin Lothar spielte in Constantin Costa-Gavras „Der Stellvertreter“ und war in Andres Veiels RAF-Drama „Wer wenn nicht wir“ als Mutter der Terroristin Gudrun Ensslin zu sehen. In Stephen Daldrys Bestsellerverfilmung war sie die Mutter des „Vorlesers“.

Aber auch in Fernsehfilmen trat Lothar auf. Zuletzt war sie unter anderem in der im Spreewald spielenden „Polizeiruf 110“-Folge „Die Gurkenkönigin“ zu sehen. Hanna Dooses Mutter-Tochter-Drama „Staub auf unseren Herzen“ gewann mit Lothar in einer der Hauptrollen beim diesjährigen Münchner Filmfest Preise. Im vergangenen Jahr stand Lothar für die britische Kinoproduktion „Anna Karenina“ mit Jude Law und Keira Knightley vor der Kamera. Der Film soll im Herbst ins Kino kommen.

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