Geschwisterbilder in Dresden

Nach 500 Jahren trifft die „Madonna di Foligno“ erstmals wieder auf die „Sixtinische Madonna“, die als ihre kleine Schwester gilt.

Rom/Dresden. 500 Jahre lang haben sie sich nicht gesehen, anlässlich der Deutschlandvisite von Papst Benedikt XVI. im September treffen sie sich jetzt wieder. Bei den lang Getrennten handelt es sich nicht etwa um unsterbliche Verwandte, sondern um zwei der bekanntesten Madonnen-Bilder des italienischen Renaissancemalers Raffael (1483-1520). Ende August wird die „Madonna di Foligno“ die Vatikanischen Museen erstmals verlassen, um in einer Sonderausstellung in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden mit ihrer „kleinen Schwester“, der „Sixtinischen Madonna“, Wiedersehen zu feiern.

„Geschwisterbilder“ werden die beiden Madonnen von den Wissenschaftlern genannt. Das mag eigentümlich anmuten, galt Raffael doch schon seinen Zeitgenossen als der Madonnenmaler schlechthin und die Madonna als eines der am meisten dargestellten Motive der Zeit. Doch die beiden Bilder standen und entstanden vor fünf Jahrhunderten höchstwahrscheinlich neben- und miteinander in Raffaels Werkstatt. 1512 malte der Meister der Mariendarstellung die mehr als drei Meter hohe Altartafel der „Madonna di Foligno“. Im selben Jahr erhielt er von Papst Julius II. den Auftrag für die „Sixtinische Madonna“.

„Ein Traum“, ein „wissenschaftliches und kulturelles Ereignis von unglaublichem kunsthistorischen Interesse“, schwärmten denn auch die Kuratoren der Ausstellung und ihre römischen Kollegen bei der Präsentation der Schau in den Vatikanischen Museen. Ihre Begeisterung hat gute Gründe, versprechen sie sich neue Erkenntnisse von dem vom Papst autorisierten Madonnen-Transfer an die Elbe.

„Die Schau gibt uns die einmalige Möglichkeit, Raffaels Technik dieser Zeit zu erforschen“, erklärte Kurator Andreas Henning. Beide Bilder seien Beispiele für die „innovative Kunst“ des Malerfürsten. Zeige die „Madonna di Foligno“ (unten) noch die Vision im Bild, bilde die „Sixtinische Madonna“ (oben) bereits allein die Vision ab, so Henning. „Dies ist zur Zeit Raffaels eine absolut revolutionäre Lösung des Bildes“. Doch auch die verschlungenen „Lebenswege“ der beiden Gemälde mögen zur Faszination der Schau beitragen.

Die für die römische Basilika Santa Maria in Aracoeli bestimmte „Madonna di Foligno“ wurde schon 1564 nach der Zerstörung der Kirche nach Foligno gebracht — daher auch ihr Name. 1797 fiel sie in die Hände der napoleonischen Truppen und kam so nach Paris. Erst 1816 traf die Madonna wieder in Rom ein, wo sie seitdem im Vatikan aufbewahrt wird.

Die „Sixtinische Madonna“, gemalt für den Hochaltar der Klosterkirche San Sisto in Piacenza, hing dort rund 250 Jahre. 1754 brachte der sächsische Kurfürst und König von Polen, August III., das Gemälde nach Dresden.

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