Gibt es die unsterbliche Seele?

Wer die Seele im Körper sucht, muss scheitern: Wenn es sie gibt, ist sie nichts Materielles.

Düsseldorf. "Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Lebewesen."

Was die Bibel (Genesis 2,7) da über den Lebensatem, die Seele, sagt, gilt nicht nur für den ersten Menschen. Der Katechismus der Katholischen Kirche konkretisiert, dass "jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen ist, sie wird nicht von den Eltern hervorgebracht und sie ist unsterblich: sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereinen."

Doch Naturwissenschaftler tun sich mit der Seele schwer. Seele, Geist, Bewusstsein - Funktionen, die unterhalb der Schädeldecke ablaufen. Jeder Gedanke, jede Empfindung beruhe auf körperlichen Prozessen. Dass die Wissenschaft die Seele weitgehend ausklammert, kann ihr nicht verübelt werden. Denn ihre Methoden, das Messen, das Beobachten, stoßen hier an Grenzen. Das ist Sache der Philosophie und Theologie, sagen die Wohlmeinenden, die nicht ganz die Existenz einer unsterblichen Seele abstreiten.

Sollte es diese nicht geben, so wäre das ein weiterer Angriff auf das Selbstverständnis des Menschen. Ist er nicht schon genug gebeutelt durch die Erkenntnisse des Nikolaus Kopernikus, dass die Erde nicht der Nabel der Welt ist? Und der Evolutionslehre des Charles Darwin, dass der Mensch Glied in einer Kette tierischer Ahnen ist? Und dann auch noch die Herabsetzung, dass wir uns nicht mal durch seelische Werte privilegiert fühlen dürfen?

Welch eine Perspektive wäre das: Wir leben wenige Jahrzehnte auf diesem Planeten. Und am Ende bleiben da nur ein paar Knochen im Grab. Die Menschen, die wir lieben und durch den Tod verlieren - Aus, für immer. Kein Wiedersehen?

Duden, Herkunftswörterbuch

Für das individuelle Wohlbefinden wäre es da sehr hilfreich, wenn wir wüssten, dass das doch nicht alles gewesen sein kann. Ohne den festen Glauben an die Seele stünden auch die Religionen schlecht da. Sagen sie doch, dass wir uns vor Gott für unser irdisches Leben verantworten müssen. Und ohne etwas, das den körperlichen Tod überlebt, ginge das nicht. Der frühere Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hat dies einmal so gesagt: "Jede Vorstellung von einer letzten Rechenschaftspflicht des Menschen setzt voraus, dass der Mensch im Blick auf das Ganze seines Lebens, und damit über die Grenze des eigenen Todes hinaus, für seine Taten in Anspruch genommen werden kann."

Diese Furcht vor dem "In-Anspruch-Genommen-Werden" ist nicht nur etwas, an das uns die Religionen mahnend erinnern. Sie kann auch eine Gesellschaft stabilisieren. Indem sich jeder Einzelne bemüht, und sei es eben nur aus der Furcht vor Strafe durch eine höhere Instanz, ein moralisch gutes Leben zu führen. Überdies: Der Gedanke, dass es eine höhere Gerechtigkeit gibt, die einen Hitler und andere Menschenschinder beziehungsweise deren Seele zur Rechenschaft zieht, ist auch sehr tröstlich.

Doch wie kann man sich diese Seele und ihre Unsterblichkeit vorstellen? Schon der griechische Denker Platon glaubte an etwas Ewiges und sprach 400 Jahre vor Christus von einem Dualismus zwischen Leib und Seele: Beide wirken vorübergehend zusammen, teilen aber mit dem Tod nicht das gleiche Schicksal. Die Seele existierte nach Platons Ansicht bereits, bevor sie sich in unserem Körper niederließ. Und sie besteht nach dem Tod weiter, kehrt gewissermaßen heim. Heim dahin, was Platon als die Ideenwelt bezeichnete.

Wenn es sie also gibt, die Unsterblichkeit der Seele: Werden wir dann nicht viel zu viele sein - im Jenseits? Selbst wenn das Weiterleben nach dem Tod nur auf Menschen beschränkt ist, dann kommen doch Abermilliarden zusammen, die gelebt haben, leben und noch leben werden. Und wer will wissen, ob ein Weiterleben nach dem Tod ein menschliches Privileg ist, oder ob es nicht auch Tieren zugute kommt? Andererseits: Die Seele ist zumindest nach dem Tod kein körperliches Phänomen, ist nicht materiell. Und dann kann es auch keine Platzprobleme geben.

Gedanken aus der indischen Philosophie zur Unsterblichkeit der Seele setzen anders an. Danach ist es nicht die individuelle Seele, die den Tod überdauert. Sondern es gibt es nur eine Weltseele. Was wir für unsere einzelne Seele halten, ist nur eine Facette dieser großen Seele, mit der sie schon zu Lebzeiten immer verbunden war. Das Einzige, was beim Tod stirbt, ist danach die Illusion, vom Rest der Welt getrennt zu sein.

Ein deutscher Naturwissenschaftler, Hans-Peter Dürr, kommt mit seiner Vorstellung diesem Gedanken sehr nahe. Der Kernphysiker und frühere Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik, sagt: "Ich selbst sehe mich als Teil einer größeren Seele, die unsterblich ist. Ich bringe das, was ich erlebe, ein in eine Gesamterfahrung. Wir sind alle Mitschöpfer an diesem Einen." Mit der christlichen Vorstellung von der individuellen Verantwortung des Einzelnen vor Gott geht das freilich kaum zusammen.

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