Gruselausstellung in Leverkusen: Zeitgespenster im Schloss

Staunen, lachen, gruseln: Im Museum Morsbroich gehen Poltergeister und digitale Wesen aus der Computerwelt um.

Leverkusen. Gespenster beherrschen die Populärkultur, nicht nur zu Halloween. Science-Fiction-Filme und Computerspiele erzeugen eine Scheinwelt, die auf manche Menschen mehr Macht ausübt als die Realität.

Aber auch unabhängig von medialen Techniken hat das Übernatürliche im normalen Leben längst Fuß gefasst, wie das Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie in einer Studie nachweist.

Dessen „Psi-Report“ dokumentiert, dass gut die Hälfte der Deutschen mindestens einmal im Leben eine paranormale Erfahrung macht und jeder Sechste einen Spuk oder eine Geistererscheinung erlebt.

Auf dieses Phänomen des Alogischen im Zeitalter der Aufklärung reagiert das Museum Morsbroich in Leverkusen. „Zeitgespenster“ nennt es seine Ausstellung und macht sein barockes Schloss zur Spukstätte.

Man gehe zunächst in den Spiegelsaal mit dem kostbaren Kronleuchter. An einer Säule hängt ein Zettel mit der Aufforderung: „Schreien Sie jetzt so laut Sie können!“

Gebärdet sich der Besucher als Brüllaffe, dann erzielt er Wirkung: Der Kronleuchter wird gedimmt und eine unsichtbare Stimme beginnt zu keuchen, als sei der ganze Saal ein Atemraum. Die Arbeit stammt vom Ironiker unter den Konzeptkünstlern, von Werner Reiterer.

Seit Jahren beschäftigt sich Kurator Fritz Emslander mit Geistern. Er erklärt: „Der Auftritt des Gespenstes ist das Andere, das die herkömmliche Ordnung von Innen und Außen, Diesseits und Jenseits, Leben und Tod aushebelt. Die Dingwelt gerät angesichts künstlicher Figuren immer mehr in den Hintergrund.“

Der Berliner Künstler Björn Melhus sieht die Mattscheibe gar als „Zauberglas“. Er selbst bleibt im Video schwarz-weiß, während sein Alter Ego farbig erscheint. Die Glotze überstrahlt die Wirklichkeit.

Emslander leiht sich den Titel seiner Schau bei Georg Baselitz, der den Begriff erfand, als er seine Stasi-Akten nachlas — eine Geistergeschichte mitten in der Realität. Im Gemälde revanchiert er sich, indem er „Lenin im Lehnstuhl“ rücklings kippt und in kalkige Farben taucht.

Künstler lieben Erscheinungen des Übernatürlichen. Simon Schubert benutzt dazu nichts anderes als weißes Papier, das er faltet. Mit seinen Faltzeichnungen — eine stellt beispielsweise einen Raum samt Mobiliar dar — suggeriert er einen fiktiven Rundgang durch eine Villa.

Wie ein Zitat aus einer Krimi-Szene wirkt seine kauernde Frau auf einem Katafalk, die er mit schwarzem Kunsthaar bedeckt. Yves Netzhammer inszeniert ein Gruselkabinett passend zur Animation einer Gliederpuppe.

Kinder sind besonders anfällig für moderne Horrorfilme, sie gelten als „Einfallstor“ (Emslander) für alles, was nicht rational ist. Julia Kissina zeigt in ihrer Fotoserie die entstellten, scheinbar weggetretenen Wesen mit blinden Augen im künstlichen Licht.

Eine Aurakamera ist bei Facebook-Nutzern besonders beliebt. Wer mit einem solchen Gerät abgelichtet wird, leuchtet, als habe er einen Heiligenschein. Susan Hiller greift diesen Gedanken an die eigene Aureole in einer leuchtenden Fotofolge auf.

Heike Kati Barath beendet die Schau mit einem dunklen Riesenbild, aus dem zwei belustigte Augen hervorschauen. Ein Kommentar offensichtlich auf unsere eigene Gutgläubigkeit.

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