Interview mit Rebecca Horns: Neuanfang im Odenwald

Die Künstlerin wird heute 70 Jahre alt. Mit ihrer Stiftung setzt sie sich für junge Kollegen ein — und fühlt sich richtig angekommen.

Interview mit Rebecca Horns: Neuanfang im Odenwald
Foto: dpa

Bad König. „Privat fragen Sie mich bitte gar nix“, stellt Rebecca Horn gleich zum Auftakt klar. Dafür spricht die für ihre Skulpturen, Performances und Filme bekannte Deutsche über ihre Arbeit und ihren „Neuanfang“ im Odenwald.

Frau Horn, woran arbeiten Sie gerade?

Rebecca Horn: Vor etwa sechs Jahren habe ich die früheren Gebäude der Molkerei meines Großvaters und die Textilfabrik meines Vaters im Odenwald zurückgekauft und hier die „Moontower Foundation“ gegründet. Es ist eine private Stiftung, die Ausstellungen, Konzerte und Dichterlesungen veranstaltet, auch Festivals organisiert und vor allem junge Künstler unterstützt. Ein internationaler Beirat unter dem Vorsitz des Londoner Tate-Direktors Nicholas Serota entscheidet über das Programm. Diese Stiftung ist für mich etwas sehr Kostbares, deshalb wollte ich sie langsam, fast herzblutmäßig zum Wachsen bringen.

Wie kam es dazu?

Horn: Bei einer Zwangsversteigerung bekam ich vor sechs Jahren das Angebot, das frühere Anwesen meiner Familie im Odenwald zurückzukaufen. Bis dahin hatte ich dort nur ein kleines Gebäude, das ich seit 1990 als mein Atelier benutzte. Nun waren es neun Gebäude in einem kleinen Tal mit Flüsschen und alten Gärten, aber alles leider sehr heruntergekommen. Ich begann das ganze Terrain zu renovieren. Das wurde zu einer Art Albtraum, denn alles, was ich irgendwie verdient hatte, wurde aufgebraucht. Aber heute weiß ich, dass ich das Richtige getan habe.

Hat sich für Sie die Ausdruckskraft der verschiedenen Medien mit der Zeit verändert?

Horn: Dies sind fortlaufende Prozesse bei mir. Am Anfang meines Studiums entstanden die ersten Körperskulpturen, aus denen sich die Performances entwickelten. Als mich dann Harry Szeemann 1972 zur Documenta 5 eingeladen hat, sagte er: „Wunderbar, die Texte und die Fotos deiner Performances, aber als Filme wären sie wichtiger.“ Deshalb habe ich angefangen, meine Performances dokumentarisch festzuhalten. Später begann ich, sie wie Filme zu inszenieren. Auch arbeite ich seit Jahren zusammen mit Komponisten.

Haben Sie eine Botschaft, die Sie dem Betrachter vermitteln wollen?

Horn: Eine Botschaft, denke ich, ist zu messianisch. Bei meinen Ausstellungen oder Filmen werden die Menschen Teil meiner Bilder. Nicht nur sie bewegen sich, sondern auch meine Skulpturen. Und plötzlich begegnen sie sich in einem drehenden Spiegel und werden Teil dieses künstlerischen Prozesses.

Gibt es für Sie nach den Jahrzehnten im Ausland eine Heimat?

Horn: Jetzt bin ich im Odenwald erst wirklich angekommen. Ich hatte ja nur die ersten acht Jahre als Kind hier gelebt. Diese Form von Heimat gab es bei mir leider nicht, deshalb versuche ich, meine Freunde zwischen New York, Paris und Berlin, denen ich mich in all diesen Jahren verbunden fühle, hierher einzuladen und einen Neuanfang zu wagen.

Haben Sie ein persönliches Lieblingswerk?

Horn: Ich glaube, das sind immer die Arbeiten, die besonders schwierig für mich waren — wie ein Schmerzton, ein Fieberthermometer. Zum Beispiel meine Installation „Spiriti di Madreperla“ 2002 in Neapel — auf dem größten Platz Italiens habe ich Skulpturen mit einer Lichtinstallation verbunden. Die Neapolitaner haben diese Arbeit bis heute nicht vergessen und nennen mich immer noch „Santa Rebecca“.

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