Interview: Regisseur Michael Hampe zum Überlebung der Oper

Regisseur Michael Hampe über das Musiktheater: Was läuft falsch, welche Häuser bleiben, wann geht er raus?

Düsseldorf. In vielen Städten wie Bonn, Köln, Wuppertal und Duisburg stehen die subventionierten Opernhäuser derzeit auf dem Prüfstand. Die Kultur-Etats werden so zusammengestrichen, dass manche Häuser vor dem endgültigen Aus stehen. „Hat die Oper eine Zukunft?“ — eine Frage, die auch den Opernregisseur und langjährigen Intendanten von Köln, Michael Hampe (Foto unten: privat), beschäftigt.

Herr Hampe, nur noch zwei bis drei Prozent der Bevölkerung besuchen die Oper. Hat subventionierte Oper da noch eine Zukunft?

Michael Hampe: Ja, aber nur wenn man das Publikum nicht für dumm verkauft. Wenn man es als altmodisch beschimpft, dann kommt es nicht mehr. Aber auch junge Menschen wollen Oper: Noch nie zuvor wurden so viele Opern-DVDs verkauft. Und bei Live-Übertragungen aus der Met oder Scala sind die Kinos voll. In den USA wachsen die Opernhäuser sogar. Da kommen bis zu 200 Uraufführungen pro Saison heraus, verschwinden nicht wieder, sondern werden nachgespielt.

Haben bei uns die Intendanten etwas falsch gemacht?

Hampe: Ja. Die Todsünde in Deutschland war, das Musical aus Opernhäusern zu verbannen. Wie in Operetten werden auch im volkstümlichen Genre Musical Menschengeschichten erzählt. Und werden, wie Les Misérables oder Miss Saigon, überall nachgespielt. Sie stellen auf der Bühne etwas dar, was die Zuschauer bewegt, was sie verstehen.

Sind Subventionen bis zu 40 Millionen Euro pro Jahr für große Häuser noch zu rechtfertigen?

Hampe: Ja, denn Oper war nie billig, der Aufwand mit Chor, Orchester, Sängern und Technik hat immer Unterstützung gebraucht.

Und die Gagen?

Hampe: Durchschnittsgagen sind hier niedriger als in der freien Wirtschaft oder im gehobenen Öffentlichen Dienst. Ausnahmen gibt es nur wenige, wie bei Stars.

Und die Orchester?

Hampe: Da gibt es viel zu ändern, aber die letzten Tarifverträge wurden vernünftig abgeschlossen.

Wenn der Opernbetrieb zu teuer wird, warum reichen da nicht Gastspiele?

Hampe: Die sind noch teurer. Ich bin für große Einheiten, für Zusammenlegungen. Städte wie Wuppertal oder Köln müssen sich nach neuen Partnern in der Region umschauen. Seit 20 Jahren empfehle ich das. Neu ist das nicht: Eine Kooperation zwischen Köln und Bonn hat schon vor 100 Jahren funktioniert. Als heutiges Vorbild dient die Rheinoper Düsseldorf/Duisburg. Die läuft, wenn auch mit Problemen.

Welche Opernhäuser können denn überleben?

Hampe: Alle, aber nur wenn sie die Betriebsform ändern und ökonomischer arbeiten. Aber dafür muss man die Statistiken des Bühnenvereins lesen können. Das ist Arbeit. Ich kenne keinen Politiker, der das macht. Auch Spielpläne müssen geändert werden, zum Beispiel eine Produktion am Stück spielen und nicht dauernd die Bühne auf- und abbauen.

Welche Rolle spielen moderne Inszenierungen?

Hampe: Für das Publikum: eine große. Was modern ist, entscheidet aber das Publikum, nicht der Regisseur. Er muss ein heutiges Publikum mit seinen Bildern bewegen. Aber in vielen Fällen fehlt ihm das Handwerk oder das Wissen über Musik. Ein Handy in einer Mozart- oder Wagneroper ist zwar möglich, muss aber zur Musik passen und Sinn ergeben.

Wann ist für Sie eine Inszenierung gelungen?

Hampe: Wenn sie anregt, aufregt, ärgert und zur Diskussion anregt. Nur Langeweile ist tödlich. Meinen Regie-Studenten sage ich: Eure Arbeit ist es, das Publikum wachzuhalten.

Sind Sie schon einmal während einer Vorstellung gegangen?

Hampe: Ja, wenn ich nichts mehr verstehe. Ich warte die erste Umbaupause ab und gehe schnell weg. Es gibt ja genug gute Restaurants.

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