Jürgen Vogel: „Es macht Spaß, Böse zu spielen“

Schauspieler Jürgen Vogel spricht über seine Rolle als Nazi in dem ZDF-Dreiteiler „Das Adlon. Eine Familiensaga“.

Berlin. Das neue Fernsehjahr beginnt am 6. Januar mit ganz großen Gefühlen im ZDF. Das dreiteilige Historienspektakel „Das Adlon. Eine Familiensaga“ über die weltberühmte Luxusherberge am Brandenburger Tor verschlang zehn Millionen Euro. Es erzählt 90 Jahre deutscher Geschichte am Beispiel des Adlon-Clans und einer fiktiven Familie. Der deutsche Hollywood-Regisseur Uli Edel fährt hier über ein Dutzend Stars auf. Unsere Zeitung hatte vorab Gelegenheit, mit Jürgen Vogel (44) zu sprechen, der den Nazi-Gegenspieler der Protagonistin Josefine Preuß mimt.

Herr Vogel, Sie spielen den überzeugten Nazi Siegfried von Tennen. Wie anspruchsvoll ist diese Rolle für Sie als Schauspieler?

Jürgen Vogel: Sie ist für diesen Film wichtig, weil meine Figur stellvertretend steht für diese Zeit und für das, was da draußen stattfand. Um dieses ganze Ausmaß der Gemeinheit zu erzählen, brauchst du solche Figuren. Siegfried von Tennen repräsentiert die Nazizeit und die Art von Menschen, die damals aufgestiegen sind. An ihm sieht man, welche Macht sie bekamen und wie Familien darunter leiden mussten. Von Tennen ist keiner, der nach dem Untergang des Dritten Reiches irgendwelche Zweifel bekommt.

Haben Sie sich mit dem Nationalsozialismus im Allgemeinen und mit dem Typus Mann der damaligen Zeit beschäftigt?

Vogel: Es gibt heute jeden Typus von Mann, den es damals auch schon gegeben hat. Das ist gar nicht so ein weiter Weg. Wo man herkommt und wo man hinwill, ist immer eine Frage der eigenen Geschichte und der Sozialisierung. Meine Figur kommt aus einer Militärfamilie, sein Vater hat schon in Afrika die Kolonien ausgebeutet. Ganz klar, dass er mit seiner Erziehung in einem diktatorischen System in solch eine Rolle reinrutscht. Als Schauspieler mache ich eigentlich nur noch die Feinheiten, versuche, die Figur glaubwürdig rüberzubringen. Ich fand die Wendungen bei dieser Figur spannend.

Ist es für Sie als Schauspieler eine besondere Freude, den Bösewicht geben zu dürfen?

Vogel: Natürlich macht es Spaß, Arschlöcher oder Böse zu spielen. Das ist ja auch ein Teil von uns, und den rauszuholen, ist interessant. Eine Rolle, in der du nur böse bist, wäre aber uninteressant. Es macht nur dann Spaß, wenn du weißt, dass deine Figur die Geschichte vorantreibt. Wenn ich in einer bestimmten Szene ein großes Nazi-Arschloch bin und der Zuschauer dadurch den „Juden“ Ken Duken noch mehr mag, dann macht mir das besonders Spaß. Dann führt man Leute zu einer anderen Figur hin. Wenn das funktioniert, ist es geil.

Müssen Sie an einer Figur nicht auch irgendetwas sympathisch finden, damit Sie sie spielen können?

Vogel: Ich beurteile Figuren nicht nach Sympathie. Ich gehe da ganz psychologisch-faktisch vor. Wir sind alle zu allem fähig. Nur weil Sie mir jetzt vielleicht sehr sympathisch erscheinen und nicht versuchen, auf Macho zu machen, traue ich Ihnen trotzdem zu, dass Sie jemanden umbringen können. Ich glaube, prinzipiell ist jeder dazu fähig. Vielleicht sagen Sie für sich, mit Ihrer Sozialisierung und Ihrer Abscheu vor Gewalt würden Sie es nie tun. Trotzdem glaube ich, wenn Sie in bestimmte Situationen kommen würden, wären Sie fähig zu töten. Nämlich immer dann, wenn man denkt: „Jetzt geht es mir an die Wäsche!“

Im alten Adlon gingen Berühmtheiten wie Billy Wilder, Charlie Chaplin und Josephine Baker ein und aus. Können Sie nachvollziehen, was diesen Ort ausmachte?

Vogel: Künstler zieht es prinzipiell immer dahin, wo auch andere Künstler sind. Es gibt so eine Kombination zwischen dem Künstler und dem Luxus. Das sind ja erst mal zwei verschiedene Welten: Das totale Künstlerchaos und das fast schon militärisch organisierte System eines Fünf-Sterne-Hotels. Aber man findet es schon cool, wenn man weiß, an diesem Ort sind immer Leute, die man selbst toll findet. Diese Atmosphäre will man sich auch mal reinziehen.

Waren Sie mit der Historie des Adlon vertraut?

Vogel: Ja, wobei aber unser Film in weiten Teilen fiktiv ist. Ich weiß natürlich, was die 20er Jahre hier in Berlin waren, bevor die Nazis kamen. Hier wurden echt mutige Sachen gemacht. Die Polizei hat unter anderem als Transvestiten undercover ermittelt. Das ist doch höchst modern.

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