Kate Winslet im Interview: Lieber echt als makellos

Hollywoodstar Kate Winslet über ihren Film „Der Gott des Gemetzels“ und die Geheimrezepte von Regisseur Roman Polanski.

Frau Winslet, in Roman Polanskis Film „Der Gott des Gemetzels“ setzen sich zwei Ehepaare zusammen, weil sich ihre zehnjährigen Söhne auf dem Spielplatz geprügelt haben. Mussten Sie sich je bei anderen Eltern für den Schulhof- oder Spielplatzstreit Ihres Nachwuchses entschuldigen?

Winslet: Na ja, Prominente sind auch normale Eltern und stehen auf Spielplätzen. Unsere Kinder sollen genau so behandelt werden wie „normale“ Kids. Unsere Kinder sind übrigens auch normal. Ich musste bisher aber zum Glück noch nie zu Kreuze kriechen.

Also haben Sie gleich positiv auf Polanskis Idee reagiert?

Winslet: Wenn ein Roman Polanski einen zu irgendeinem Projekt einlädt, würde man nie Nein sagen! Aber hier war auch das Drehbuch brillant. Ich hatte das Theaterstück von Yasmina Reza bereits in New York gesehen und war begeistert. Daher fühlte ich mich sehr geehrt, Teil von Romans Verfilmung zu sein. Dazu die Kollegen Jodie Foster, Christoph Waltz, John C. Reilly — das allein sollten drei Oscar-Nominierungen sein.

Freut man sich auf solch ein hochkarätiges Team — oder ist man eher befangen?

Winslet: Ich glaube, wir hatten alle Schiss — schon weil wir mit dem großen Roman Polanski arbeiten sollten. Wir sind auch nur Menschen und haben natürlich auch Angst — egal, wie erfahren wir sind. Aber gerade diese Panik hat uns rasch verbündet. Roman sagte, er habe nie Schauspieler erlebt, die sich so gut verstanden hätten.

War Roman Polanski anders als andere Regisseure? Fordernder? Anspruchsvoller?

Winslet: Nach der ersten Probewoche sagte er freitags zu uns: „Lernt bitte übers Wochenende das ganze Stück. Dann können wir Montag ohne Drehbücher in der Hand arbeiten.“

Das dürfte die Nervosität noch gesteigert haben. Haben Sie da Tricks parat?

Winslet: Ich habe selten einen Plan, um mich auf einen Job vorzubereiten. Meist besteht die Hälfte aus Im-Zimmer-Herumwandern, die Tapete anstarren und sich den Kopf zermartern, wie das enden soll.

Eine Szene des Films ist jetzt schon legendär: wenn Sie sich exzessiv übergeben. Wie war es, das zu drehen?

Winslet: Es war noch lustiger, als es auf der Leinwand zu sehen ist. Ich musste ja eine riesige Menge von dem Zeug im Mund haben. Und danach war es überall, zwischen meinen Fingern, in meinen Haaren, auf den Kleidern. Und alles roch tagelang danach.

Es roch? Aus was bestand „das Zeug“ denn?

Winslet: Roman hat dafür ein Geheimrezept. Dazu kam das, was wir da aßen, also matschiger Apfelkuchen. Ich schlug vor, noch etwas reife Banane drunterzumischen, für die Konsistenz. Ranzige Banane und Apfelbrei riechen nach einer Zeit ziemlich streng. John und Jodie, die Armen, drehten noch vier Tage lang die Szenen, in denen sie das Malheur wegputzen. (lacht)

Macht es Ihnen nichts aus, dass man Sie so sieht? Viele Hollywoodstars wären dafür zu eitel.

Winslet: Das ist eine positive Folge der Reife. Spätestens seitdem ich meine beiden Kinder auf die Welt gebracht habe, habe ich keinerlei körperliche Unsicherheiten mehr. Wenn man ein Kind aus sich herausquetscht, ist das vorbei mit der Scham. In Filmen ist es mir wichtig, real auszusehen. Falsche Makellosigkeit macht mich wütend.

Seit „Titanic“ halten Sie sich von Blockbustern eher fern. Haben Sie heute, 15 Jahre später, noch immer keine Lust, wieder etwas Gigantisches zu drehen?

Winslet: Ich habe meine Laufbahn mit wirklich anspruchsvollen, herausfordernden Rollen in kleinen Filmen begonnen, wie Peter Jacksons „Himmlische Kreaturen“. Das war das Muster — und „Titanic“ die Ausnahme. Danach musste ich sofort wieder einen Schritt zurückmachen, um zu begreifen, was da passiert. Es war zu verwirrend. Mit 21 war ich noch nicht dazu bereit, eine große Berühmtheit zu werden. Es war gut, dass ich mich damals auf meine Intuition verlassen habe.

Was hat Ihnen „Titanic“ gegeben?

Winslet: Dass ich seitdem selbst bestimmen kann, wann und was ich arbeite, und den Job an meine Lebensumstände anpasse.

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