Katerstimmung auf der Bühne im Düsseldorfer Schauspielhaus

Regisseur Ryschakow lässt in Düsseldorf „Betrunkene“ mit großer Geste und wenig Tiefsinn aufs Leben schimpfen.

Katerstimmung auf der Bühne im Düsseldorfer Schauspielhaus
Foto: S. Hoppe

Düsseldorf. Haben Sie schon mal einen Abend völlig nüchtern mit einer Gruppe völlig betrunkener Menschen verbracht? Das ist kurzzeitig interessant. So mancher redet sich um Kopf und Kragen. Viele fühlen sich wahnsinnig witzig, sind es aber nicht, und die meisten nerven mit den immer gleichen Phrasen. Irgendwann geht es wenig erhellend ums existenzielle Ganze, um Leben, Liebe und Gott.

So betrachtet hält der Theaterabend „Betrunkene“ im Düsseldorfer Schauspielhaus genau das, was der schlichte Titel verspricht. Inklusive dem Gefühl, dass hinter der großen Geste auf der Bühne nicht viel Tiefsinniges steckt. Als Auftragswerk für das Theater der Landeshauptstadt hat der russische Autor Iwan Wyrypajew das Stück geschrieben, das der russische Regisseur Viktor Ryschakow als Uraufführung in knapp zwei Stunden ohne Pause inszeniert.

Bei ihm ist alles Schwarzweiß: die Kleidung, das Bühnenbild, die Requisiten. Für Zwischentöne fehlt den Betrunkenen, die an diesem Abend mal zufällig aufeinandertreffen, mal nach durchzechter Nacht den Absprung trotz einsetzender Katerstimmung nicht schaffen, ohnehin der klare Blick. Auf einer schiefen Ebene geraten sie ins Stolpern. An der Decke hängen Badewanne, Couch und gedeckter Tisch, die werden heruntergelassen zu den Menschen, die selbst die Kontrolle verloren haben und sich bewegen wie an Strippen hängend. So entstehen Situationen am fein gedeckten Tisch daheim oder im Restaurant, dann verschwinden die Möbel wieder gen Himmel und wir sind auf der Straße.

„Gott spricht mit der Zunge der Betrunkenen“, erklärt der Banker Karl (Michael Abendroth). Und er legt los. Dass er seine Frau mit ihrer besten Freundin betrogen hat. Dass er lügt, so wie alle anderen es auch tun. Nur einem, dem sei die ganze Lügerei egal: Gott. Dabei ist die aufgesetzte Nase, die Karl trägt, viel weniger lang als etwa bei seinem Freund Gustav (Rainer Galke), der auf dem Nachhauseweg in einem vorbeifahrenden Mädchen plötzlich die wahre Liebe und die eigentliche Energie seines Lebens erkennt.

So reiht sich Szene an Szene, und wie oft an diesem Abend das Wort Sch . . . ins Publikum gebrüllt wird, mag man irgendwann nicht mehr zählen. Ein Junggesellen-Abschied, bei dem die jungen Freunde und eine Prostituierte plötzlich erkennen, dass sie Gottes Geflüster in ihren Herzen spüren, bietet für kurze Zeit eine gute Mischung aus Witz und der Sehnsucht nach Bedeutung. Doch viel zu schnell treten wieder andere Figuren auf, die in dieser Nacht auch unterwegs sind. Mit ihren Fragen nach Gott und der Welt bewegen sie einen schon bald nicht mehr, sondern lassen auf das Leben nach dem Kater hoffen. Wohlwollender Applaus vom Publikum.

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