Die Toten Hosen rocken in Marcs Partykeller

4500 Bewerbungen gab es für 20 Privatkonzerte mit der erfolgreichsten deutschen Band. Unsere Zeitung war bei einem Auftritt dabei.

Emsdetten-Hembergen. Bei den Hollefelds stehen bestimmt 20 Leute vor der Tür. Jeder weiß: Da ist Goldhochzeit, es wird von den Nachbarn ja schon der Kranz aufgehängt. Einfamilienhäuser mit Garten, drumherum viel Landschaft, halt plattes Münsterland.

Aber offenbar ist am Freitagabend auch um die Ecke bei Ahmanns was los. Alle gucken hin, kaum einer weiß Bescheid. Während auf der Weide gegenüber die Pferdchen ihre Runden drehen, fahren zwei blaue Mercedes-Transporter vor. In einem viel Technik, im anderen fünf Musiker.

„Ich wusste es seit Februar“, sagt Elfiriede Ahmann (68), „aber ich habe kein Sterbenswörtchen gesagt, das durfte ich nicht.“ Christiane Berkemeier, die Tochter, nickt. „Ich weiß erst seit drei Tagen Bescheid.“

Worum es geht, zeigt sich, als sich die Tür des zweiten Transporters öffnet: Die Toten Hosen steigen aus. Wohnzimmerkonzert in Hembergen, einem Stadtteil von Emsdetten. Alle sind ein bisschen scheu, als die Bandmitglieder das Empfangskomitee vor der Tür begrüßen.

Marc Ahmann hat es möglich gemacht. Der 37-jährige Maschinenbau-Konstrukteur ist einer von 4500 Bewerbern für ein Wohnzimmerkonzert der erfolgreichsten deutschen Band. Er hat als Bewerbung ein wahnwitziges Video gedreht.

„Ich komme mit einem Mofa mit Fuchsschwanz an, zeige, wo die Hosen schon mal in Emsdetten gespielt haben, später stehe ich mit Bengalos auf meinem Haus, so wie Campino es bei großen Festivals auf dem Dach der Bühne macht.“ Die ganze Vorstellung ist so spektakulär, dass Ahmann den Zuschlag für eines der 20 Wohnzimmerkonzerte der Band erhalten hat.

„Es haben sich allein in Deutschland 17 freiwillige Feuerwehren beworben“, erzählt Campino über das Auswahlverfahren, „wir spielen auch für die Urologen eines Krankenhauses, wo wir anschließend auf der Station übernachten.“ Es geht quer durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und bis nach Island. Ein Bewerber hat mit einem hollywoodreifen Film den Zuschlag erobert.

Darin halten sich Zombies mit Musik der Band „Die Ärzte“ am Leben, mit letzter Kraft sichert der Griff zu einem Hosen-Album das Überleben der bedrohten Menschen. „Das sind teils komplette Spielfilme“, sagt Campino voller Hochachtung.

Die Düsseldorfer Musiker trudeln um 18.15 Uhr in Emsdetten ein, um 21 Uhr startet das Konzert im Partykeller, der Platz für 50 Zuschauer bietet. T-Shirts, Plakate und sogar eine Holzbank werden bis dahin signiert.

In der Küche hat Mama Elfriede ein Buffet aufgebaut, das den Wünschen der Musiker entspricht. Es gibt Gemüse, glutenfreies Essen, Florida-Steak, sogar vegetarische Frikadellen. „Und die Rinder-Rouladen schmecken wie von meiner Mutter“, befindet Hosen-Manager Jochen Hülder, der etwas später dazu stößt.

Im Wohnzimmer zieht sich die Band um, Campino singt sich ein, jeder bekommt es mit. Als es schließlich im Keller mit „Strom“, „All die ganzen Jahre“ und „Liebesspieler“ losgeht, ist die Stimmung gleich am Siedepunkt. Campino und Marc Ahmann werden über die Köpfe getragen, die Eierkartons werden von der Decke geraspelt, Marc darf später mit der Band „Paradies“ singen und hat ebenso deutliche Textlücken wie Campino bei „Alles aus Liebe“. Der Spaßfaktor ist das große Plus für alle, die Hosen spielen fast zwei Stunden und damit länger als geplant, mit „You’ll never walk alone“ als Abschluss.

Die Band freut sich später, dass die Fans den neuen Hit „Tage wie diese“ sofort auswendig kannten. „Bei mir war das Lied schon gestrichen“, bekennt Campino. „Bei uns nicht“, antworten Andi und Kuddel unisono. Aber alle hatten, wie zu erfahren ist, vor fast 30 Jahren „Hier kommt Alex“ schon aussortiert, den Kulthit der Band.

Sehr interessant für Marc Ahmann und seine Freunde. Während die Hosen aufbrechen, um am nächsten Tag eine Punk-WG in Gießen zu beglücken, hat Ahmann die Tickets für Rock am Ring in der Schublade. Dort feiert er die Toten Hosen demnächst nicht mit 50 Freunden, sondern mit 60 000 anderen Fans.

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