Kleider machen Leute

Herlinde Koelbl porträtiert Menschen in ihrer offiziellen Berufskleidung und in den Sachen, die sie zu Hause tragen.

Dresden. Schein und Sein in Uniformen: Die Fotografin Herlinde Koelbl hat sich in ihrem neusten Projekt mit dem Thema Kleidung beschäftigt. In vier Jahren porträtierte sie Menschen in Deutschland und acht weiteren Ländern jeweils in ihren offiziellen Berufsoutfits und den Sachen, die sie zu Hause tragen.

„Es geht um Verwandlung und Blendung durch Kleidung“, sagt sie zu ihrer Ausstellung „Kleider machen Leute“ im Deutschen Hygiene-Museum Dresden. „Der öffentliche und der private Mensch, das sind die Pole, die mich interessierten“, erzählt die Fotografin.

Auf rund 800 Quadratmetern vollziehen sich optisch erstaunliche Metamorphosen. Da wird aus der Bundesverfassungsrichterin ein junges Mädchen, aus dem Schweizergardisten ein großer Junge, aus der Geisha ein schüchternes Fräulein, und der Wrestler wird zum Sonnyboy. „Die Körpersprache veränderte sich sehr stark, in Uniform sind die Menschen aufrechter, selbstbewusster, imposanter“, erklärt die Künstlerin. Fast jeder trage in seiner Berufskleidung das Kinn etwas höher. Da es Koelbl stets nicht allein um das Foto geht, kommt jeder Porträtierte zu Wort und erzählt, wie und was er in der Kleidung empfindet. „Das geht weit in die Gesellschaft hinein, ins Politische, Soziologische und Geschichtliche.“

Für „Kleider machen Leute“ hat sie verschiedenste Berufsgruppen ausgewählt: Ein Astronaut ist dabei, ein Butler und ein Clown, aber auch eine Kaminkehrerin, einen Mönch und einen Sumo-Ringer hat sie fotografiert.

Die Verwandlung durch die Kleidung sei ihr vor vielen Jahren erstmals bei einer Frau aufgefallen, die in Tracht sehr beeindruckend und würdevoll, nach dem Umziehen aber ganz anders gewesen sei. „Im ärmellosen, sackartigen bunten Hängerkleid hatte sie all ihre Ausstrahlung und Würde verloren“, erzählt Koelbl.

Auch ihre Modelle durchlebten eine Verwandlung — mit Unterschieden. „Die Japaner sagten, dass sie einen Schalter umlegen und ihr zweites Ich zum Vorschein kommt, wenn sie die Kleidung wechseln.“

In der Ausstellung und im Fotobuch sind die Bekenntnisse ihrer Modelle nachzulesen: Der Bischof schlüpft eigentlich am liebsten in den Trainingsanzug, der Jäger hadert mit seiner Passion, die Domina ist privat eher prüde, die japanische Nonne liebt eigentlich pink, und der Generalinspekteur der Luftwaffe ist auch ohne seine Uniform eitel.

Koelbls Frage nach seiner Freizeitkleidung habe ihn verlegen gemacht, bekennt der bekannte Berliner Rechtsanwalt und Kunstförderer Peter Raue. „Freizeitkleidung besitze und brauche ich nicht“, steht neben seinem Doppelporträt, das überrascht: Rechts trägt er grauen Dreiteiler und links ist er nackt.

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