Ausstellung im K20: Verkannte Vorreiterinnen

Die Düsseldorfer Kunstsammlung zeigt „Die andere Seite des Mondes“. Ein Gespräch mit der Kuratorin über Frauen und Kunst.

Düsseldorf. Frau Meyer-Büser, Sie nennen die Ausstellung zu den acht Künstlerinnen der 1920er und 1930er Jahre „Die andere Seite des Mondes“. Welche Assoziationen möchten Sie damit auslösen?

Susanne Meyer-Büser: Der Mond gilt ja als weibliches Gestirn, und die andere Seite des Mondes ist seine unbekannte Seite. Außerdem sind diese acht Künstlerinnen auch unter Kunsthistorikern nicht allen bekannt. Jeder kennt Klee, aber hier herrscht noch viel unsicheres Wissen. Deshalb wollen wir mehr Licht auf diese dunkle Seite des Mondes bringen.

Wonach haben Sie die Künstlerinnen ausgewählt?

Meyer-Büser: Über allem anderen steht natürlich, dass wir einfach gute Werke zeigen wollen. Und diese Zusammenstellung ist noch nie dagewesen, das dürfte sehr spannend für Kenner und Laien sein. Sie alle sind Pionierinnen ihrer Kunstrichtung, und sie haben diese entscheidend weiterentwickelt — ob Dadaismus, Konstruktivismus oder Surrealismus. Florence Henri war eine der ersten Fotografinnen überhaupt, Sonia Delaunay hat bis ins hohe Alter qualitätvoll gearbeitet. Germaine Dulac hat 1928 den ersten surrealistischen Film gedreht — noch vor Luis Bunuels „Andalusischem Hund“.

Gibt es Motive, die Frauen bevorzugen?

Meyer-Büser: Wenige. Muschelgehäuse und Schnecken kommen bei Hannah Höch, Dora Maar und Sophie Taeuber-Arp vor. Spiegel und Masken sind als Motiv recht gängig — wohl ein Spiel um Identität und Rolle. Die Fotografin Claude Cahun hat sich radikaler mit der Geschlechterfrage auseinander gesetzt, hat sich selbst mit kahlrasiertem Schädel und als Gewichtheber porträtiert: Auf ihrem T-Shirt steht der witzige Satz: „I’m in training don’t kiss me.“ Das lassen wir nachdrucken.

Die Kunstwerke in der Ausstellung zeigen eine große Vielfalt an Materialien — neben traditionellen Papierarbeiten sieht man Puppen und Collagen aus Zeitungspapier, perlenbestickte Beutel und grobe Wandbehänge, einen graphisch wunderbar gestalteten Mantel von Sonia Delaunay für die Schauspielerin Gloria Swanson. Haben die Frauen die Grenzen der Gattungen leichter gesprengt?

Meyer-Büser: Auf jeden Fall. Diese Künstlerinnen hatten Kunstgewerbeschulen besucht, weil die Kunstakademien erst von 1919 an Frauen zugelassen haben. Durch diese Ausbildung waren sie viel freier im Umgang mit Materialien. Ihre männlichen Kollegen waren zu der Zeit noch den klassischen Gattungen verhaftet, wollten ihre Meisterschaft an einem Bild auslassen.

Waren die Frauen damit mehr auf der Höhe ihrer Zeit?

Meyer-Büser: Ihre Arbeit spiegelt die Beschleunigung des Lebens in den 1920er und 1930er Jahren gut wider. Für die Collagen wurde rasch etwas herausgerissen, eine Skizze und ein Foto waren schnell gemacht. Malerei war damals das altmodischere Medium.

Wie haben die männlichen Künstler auf die neue weibliche Konkurrenz reagiert?

Meyer-Büser: Es ist sicher kein Zufall, dass einige dieser Künstlerinnen untereinander eng befreundet waren: Der Austausch war ihnen wichtig. Manche Frauenkarrieren sind auch von Männern angeschoben, andere gebrochen worden. Dora Maar zum Beispiel war als surrealistische Fotografin unglaublich kreativ. Doch dann hat sie 1936 leider Picasso kennengelernt und nur noch für ihn gearbeitet. Erst hat sie seine Arbeit fotografiert, dann hat er sie animiert, auch zu malen — aber darin an Picasso heranzureichen, war natürlich unmöglich. Sie schuf nur Plagiate seiner Arbeit.

In der Kunstsammlung werden zu Ausstellungen häufig Werke aus der Sammlung kombiniert. Hier findet man nicht ein eigenes Bild.

Meyer-Büser: Das hängt mit der Sammlungspolitik dieses Haus zusammen: Künstlerinnen wurden zu den Anfängen der Kunstsammlung quasi nicht gekauft. Aber damit steht die Kunstsammlung nicht allein. Künstlerinnen konnten zu ihrer Zeit noch so angesehen gewesen sein: Wenn es aber ans Sammeln ging, wurden die Kollegen gekauft.

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