Ausstellung: Visionäre Gestalten von heute

Das Museum Abteiberg in Mönchengladbach zeigt die Bildhauerin Rita McBride.

Mönchengladbach. Rita McBride, 1960 im US-Bundesstaat Iowa geboren, kann man den Shooting-Star der zeitgenössischen bildhauerischen Szene nennen. Mit 43 Jahren übernahm sie eine Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie, nachdem sie zuvor in Paris, München und Berlin in ähnlichen Funktionen präsent war. Das Verzeichnis ihrer Ausstellungen rund um die Welt liest sich schon jetzt wie ein Who’s Who der großen Museen und Ausstellungshäuser.

Denn ihre Arbeiten leben mitten unter den Menschen, weshalb ihre erste Museumsausstellung in Deutschland "Public Works" heißt. Sie war "überfällig", sagt Museumschefin Susanne Titz im Mönchengladbacher Museum Abteiberg. Ein schillernder Titel, den man übersetzen kann mit "Arbeiten der Öffentlichkeit" oder auch "die Öffentlichkeit arbeitet". Kurzum, sie fragt nach der Ästhetik unserer Gesellschaft, baut skulpturale Visionen, die Architektur und Design von heute kommentieren.

Das Museum Abteiberg bespielt sie mit rund 40 Werken, manche davon sind speziell hierfür konzipiert. Wie bei einer Hausbesetzung beherrscht sie den Audiovisionssaal, das Foyer, den Großen Wechselausstellungsraum, die Wände des Foyers, das Grafische Kabinett und die Gartenebene. Ihr Material ist (pulverbeschichtetes) Aluminium und Stahl, gerne lässt sie Stahlschablonen poetische Visionen verkünden, was an William Kentridge und seine ziselierten Gestalten erinnert. Die aber auch Fundstücke von einer Schrotthalde sein könnten.

Aber Rita McBride denkt und fühlt anders. Sie ist eine Künstlerin, die die Errungenschaften der ersten Garde der Konzeptualisten und Minimalisten, wie sie gerade Johannes Cladders ans Museum Abteiberg brachte, allesamt kennt und verehrt. Und so bezeichnet sie selber ihre Arbeit denn auch als konzeptuell.

Das überwältigendste Werk befindet sich im großen Wechselausstellungsraum. Ein quadratisch gespanntes Netz aus dünnem Nylon ("National Chain"), mit hellen Clips aneinandergeheftet. Da es fast auf Augenhöhe schwebt, ist es insofern begehbar, als man darunter durch kriechen kann.

Sieben Stelen wühlen diese "Eislandschaft" auf. Sie sind beschichtet mit Laminaten, wie sie in den 50er Jahren von den Büros eines Ettore Sottsass aus in Serie gingen. Im Museum Abteiberg korresponieren sie herrlich ironisch mit Hans Holleins künstlichem Marmor auf den Toiletten.

Ironie ist überhaupt ein erfrischender Motor ihres Schaffens. So bestückt sie das große Foyer mit grau-weißen Stromverteilerkästen, die sie "Manager" (es gibt auch, noch ironischer, "Mini Manager") nennt. Und sie haben Namen, heißen Günter, Heinz, Manfred, Uli. Andere verkörpern das mittlere Management.

Ihre Rauminszenierungen sind raffiniert und zugleich monströse Herausforderungen. 2002 gewann sie einen Wettbewerb für die Gestaltung des Effner-Platzes in München. Sie entwarf eine riesige, über 50 Meter hohe Skulptur, ein "hyperbolisches Paraboloid", ein in der Mitte gertenschlankes Aluminium-Gitterwerk. Daran entzündete sich zorniger Streit wie seinerzeit an Serras Bochumer "Terminal".

Das Werk sieht strukturell aus wie eine serielle Anordnung, und auf einem Film sind die Anregungen zu sehenen: Südamerikanische Tänzer und Tänzerinnen, die sich schwindelerregend drehen. Die Skulptur konnte bis heute nicht realisiert werden. Dabei strahlt das Monument eine fantastische Aura aus. Und es könnten sogar noch Busse und Autos unter ihm hindurch verkehren. Man erkennt, wie sehr Rita McBride eine Künstlerin der Dynamik ist.

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