Ausstellungen: Die leise Komik des Reiner Ruthenbeck

Retrospektive in der Kunsthalle Düsseldorf und im Wilhelm-Lehmbruck-Museum.

Düsseldorf/Duisburg. Stundenlang hockten zwei Mitarbeiterinnen des Duisburger Wilhelm-Lehmbruck-Museums vor Reiner Ruthenbecks "Doppelaschehaufen" von 1968 und brachten die Metallstäbe in den Verbrennungsrückständen zu neuem Glanz. Mit feinen Pinseln, nicht etwa mit dem Besen, formten sie die grauen Haufen zu akkuraten Kegeln.

Ruthenbeck ist ein Perfektionist des Banalen. Er wollte diese Spannung zwischen der Asche und den glänzenden Stäben. Seine Werke sind derzeit in Duisburg und in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen.

Mit gespannten oder gefalteten Tüchern, Rautenformen, umgekippten Möbeln, überdimensionierten Löffeln und Leitern, einem nassen Tuch oder gespreizten Holzlatten definiert dieser Künstler die Objektkunst neu. Auf leisen Sohlen und mit leichtem Humor gelingt es ihm, formale und stoffliche Gegensätze in schwebende Gleichgewichtszustände zu überführen. "Auf Polarität und Einheit", so Ruthenbeck, "lässt sich alles zurückführen, worauf die Schöpfung grundsätzlich aufbaut."

Angefangen hatte er als Fotogeselle in einem Atelier für Hochzeitsaufnahmen, Porträts und Passfotos. 1958 wohnte er in der Schnapsbude Kreuzherreneck in der Düsseldorfer Altstadt. Sein nächstes Quartier lag in einer kleinen Kabine im Bunker unter dem Carlsplatz, wo er seine Fotos auf der Herren-Toilette des damaligen Kinos wässerte. Die Sparsamkeit der Kriegs- und Nachkriegsgeneration wurde zu seinem Stilelement.

Dass dazu auch ein Vorkriegskoffer gehört, in den er Löcher schneidet, ist fast so absurd wie die Theaterstücke von Eugène Ionesco, die seit 1959 am Düsseldorfer Schauspielhaus gespielt wurden. Eine selbst gebaute Kartoffelkiste, eine ineinander verschränkte Doppelleiter, eine Aufhängung mit einer Glasscheibe zum Beschweren und Bespiegeln des Betrachters, das sind seine Dinge, die plötzlich neu und komisch wirken.

Wie genau er schaut, bewies er schon als 22-Jähriger, als er eine geblähte Gardine, ein Bierglas mit Schaum oder die puristischen Linien von Asphalt und gepflasterten Wegen zum Bildinhalt seiner wunderbar poetischen Motive seiner Fotos machte.

1962 kam er in die Beuys-Klasse und hatte seinen Start 1966/67 mit einem geschmiedeten Löffel, dessen Kopfteil er mit Eisenbändern verschloss. Galerist war Konrad Fischer, der auf Anhieb die Qualitäten eines Aschehaufens verstand, den sein Freund in die schlauchartige Galerie an der Neubrückstraße kippte.

Ruthenbeck begrüßt nun die Gäste in der Düseldorfer Kunsthalle mit einem klatschnassen Tuch neben der Treppe. Er braucht keine tonnenschwere Last wie Richard Serra, dennoch hat das Tuch eine ähnliche Wirkung des Verhinderns. Seine Störmanöver kommen leise daher, wenn er einem Tisch eine gelbe Kugel unterschiebt, der gleich zu kippen scheint.

Trendy sind seine Sachen nicht, etwa wenn er zwei Lokomotiven gegeneinander fahren lässt, wobei sich die Bewegungen gegenseitig aufheben. Sein Kommentar: "Ich mache nicht Kunst mit dem Anspruch, die Welt zu verbessern. Oder die Kunst zu verbessern. Es ist nur für mich und erst dann für die anderen."

Bis 11.1., Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4, di-sa 12-19, sa+so 11-18 Uhr. Lehmbruck-Museum Duisburg, Friedrich-Wilhelm-Str. 40, di-sa 11-17, so 10-18 Uhr.

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