Durch das Abflussrohr ins Museum

Der Mönchengladbacher Künstler Gregor Schneider eröffnet am Freitag in Bochum seine Raumskulptur „Kunstmuseum“.

Durch das Abflussrohr ins Museum
Foto: Bernd Thissen

Bochum. Gregor Schneider kann fast wieder lachen. Verraucht ist sein Ärger über den Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD). Der hatte ihn kurz vor der Vernissage seiner „Totlast“ für das Wilhelm-Lehmbruck-Museum aus lokalpolitischem Kalkül vor die Tür gesetzt, weil er den Besuchern in der Stadt der Love-Parade die dunklen Gänge nicht zumuten wollte.

Durch das Abflussrohr ins Museum
Foto: Meister Helga (hm)

In Bochum ist die Situation anders. Die Stadt des Bergbaus schätzt sich glücklich, den Tunnelbauer im Kunstmuseum begrüßen zu können. Und Heiner Goebbels, Chef der Ruhr-Triennale und damit Geldgeber des Projekts, lädt die Duisburger ein, in der Bochumer Kunstsammlung vorbeizuschauen. „Kunstmuseum’“ ist der prosaische Titel für die beklemmenden Einbauten.

Schneider liebt die Verwandlung geheiligter Räume. Den Deutschen Pavillon machte er zum spießigen Bürgerhaus. Dem Mönchengladbacher Abteiberg verpasste er einen schwarzen Schlund. Und die „Weiße Folter“ in K 21 endete fast im Wasser. In Bochum ist alles verriegelt.

Der Kunstgänger dringt von rückwärts durch mannshohe Abflussrohre ins Haus. Es ist ein Hindernislauf. Mal endet der Weg in der Sackgasse, mal stellt sich eine Stahltür in den Weg. Fast stolpert der Neugierige im Halbdunkel über ein Schlammbecken. Alles ist neu gebaut. Doch das fällt nicht immer auf, weil es dem Alten so ähnelt. Die Wände haben in der Regel Raufaser, der Boden ist aus grauem Filz oder Linoleum. Und stets ist das Milieu menschenleer.

Was der handwerklich begabte Künstler mit einem Team von Helfern in nur vier Wochen errichtet hat, ist eine Meisterleistung. Da fallen Türen von allein wieder ins Schloss. Es gibt Räume mit sechs Türen, von denen nur eine weiter führt. Man steht in einem „Archivraum mit einer nass-hygienischen Einheit“, wie Schneider es nennt. Saubere Unordnung herrscht dort mit all den Ordnern und Druckern sowie dem Krimskrams wie einem Katzenbaum.

Zuweilen meint man, die Räume schon gesehen zu haben. Die Rasterdecke, die Schalter, der Schrank mit dem halb verstaubten Poster, all dies erlebt man täglich im Büro. Der Besucher fragt sich daher stets, welcher Raum nun „echt“ ist. Nichts ist echt, sondern nur normal. Das ist das Irritierende in diesem Milieu aus Überwachungskameras, Blinklichtern und Warnschildern.

„Alle Räume entsprechen in Funktion, Form und Aussehen tatsächlichen Räumen. Und Abflussrohre gibt es vor dem Museum. Diese scheinbare Normalität irritiert. Die Räume sind Annäherungen an Funktionsräume, wie sie sich in einem Museum befinden“, sagt er. Lediglich die Anschlüsse, die toten Gänge, die Kombination des Ganzen wirke surreal.

Gregor Schneider erklärt sein Konzept: „Das Museum ist unsichtbar, obwohl ich im Museum bin. Man landet am Eingang, der verschlossen ist, und gelangt rückwärts ins Haus.“

Dieses ist nicht der letzte Streich des Rheydter Künstlers. Zum hundertjährigen Bestehen der Volksbühne Berlin wird er ein soeben gekauftes, ganzes Haus in die Bundeshauptstadt transportieren. Und zugleich wird die „Liebeslaube“ von der Biennale in Venedig auf die Bühne der Volksbühne geschleppt. Der Besucher kann sich schon jetzt dafür fit machen, denn er muss unter einer in die Schrankwand eingebauten Spüle in einen türlosen Raum kriechen. Kniend.

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