Echter da Vinci oder Fälschung? Rätsel um ein Gemälde

Rom/Lugano (dpa) - Die Nachricht schlug mit einem großem Knall ein: Angeblich wurde ein seit 500 Jahren verschollenes Gemälde von Leonardo da Vinci gefunden. In der Schweiz, eingewickelt in weißes Papier in einem Tresor eines Geldhauses.

Echter da Vinci oder Fälschung? Rätsel um ein Gemälde
Foto: dpa

Illegal von Italien ins Ausland geschafft.

Doch stammt das Porträt der Marquise Isabella d'Este wirklich aus der Hand des Kunstgenies aus der Toskana? Kunsthistoriker äußern massive Zweifel.

Die Fakten: Da Vinci hat Ende des 15. Jahrhundertes eine Zeichnung der Mäzenin Isabella d'Este angefertigt. Zu sehen ist diese im Louvre in Paris, wo auch da Vincis berühmtestes Werk, die Mona Lisa, hängt. Dort heißt es in einer Beschreibung, dass der Renaissance-Künstler das Gemälde zu der Zeichnung nie angefertigt hat - obwohl das Isabella d'Este ausdrücklich wünschte. Woher kommt also das Gemälde, das nun in Lugano gefunden wurde?

Das Urteil, dass es sich bei dem Ölgemälde um einen da Vinci handele, stammt von dem italienischen Leonardo-Experten Carlo Pedretti. Der hatte im Herbst 2013 einen Artikel in dem Magazin „Sette“ veröffentlicht, in dem er schrieb, dass das Gemälde aufgetaucht sei und dass es da Vinci zuzuordnen sei. Stimmt es, wäre das eine Sensation. Es würde sich um das einzige Gemälde da Vincis auf Leinwand handeln, der Wert wäre unschätzbar hoch, schreiben italienische Medien.

Doch Kunsthistoriker zweifeln an Pedrettis Urteil. „Das ist blanker Unsinn“, sagte der Leipziger Kunstexperte Prof. Frank Zöllner am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt nicht den geringsten Hinweis für die Echtheit des Gemäldes.“ Das Bild habe keinen Geldwert. Zöllner leitet an der Universität Leipzig das Institut für Kunstgeschichte und gilt als ausgewiesener Leonardo-Experte.

„Es handelt sich um ein privates Gutachten, das nicht als wissenschaftlicher Beleg angesehen werden kann“, sagte auch der italienische Kunstexperte Claudio Strinati der Zeitung „La Stampa“. Ein anderer Kritiker, Vittorio Sgarbi, geht noch weiter: Es handle sich um eine Fälschung, die „höchstens 2000 Euro“ wert sei. Diese Überzeugung teilt der Direktor des Kunstmuseums Albertina in Wien, Klaus Albrecht Schröder. „Es handelt sich um ein eher primitives und auch relativ spätes Werk“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Gegen die Echtheit spreche auch, dass das Bildnis eine Zusammenstellung von Motiven aus verschiedensten da-Vinci-Werken sei. „Da ist so viel da Vinci drin, da hat ein Kopist sein Mütchen gekühlt.“

Auch Andreas Beyer, Professor des Kunsthistorischen Instituts der Uni Basel, hat Zweifel. „Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine Fälschung oder eine Nachschöpfung nach Leonardo handelt“, sagte er dem „Tagesanzeiger.ch/Newsnet“. Dafür sprächen unter anderem die Krone und der Palmzweig, die weder auf der Zeichnung des Louvre noch auf einer vergleichbaren Zeichnung des Ashmolean Museum in Oxford existierten. Diese Attribute hätten mit der Ikonographie der Isabella d'Este nichts zu tun. „Da hat einer, der nach Leonardos Vorlage gemalt hat, offenbar nicht gewusst, um wen es sich bei der Dargestellten handelt“, sagte Beyer. Auch habe die Oberfläche des Bildes etwas vom Schmelz des späten 19. Jahrhunderts.

Das entdeckte Gemälde basiere außerdem eindeutig auf der Zeichnung im Louvre, schrieb bereits im Herbst 2013 der britische Da-Vinci-Experte Martin Kemp. Da Vinci könne aber wenn überhaupt, dann nur die in Oxford aufbewahrte Zeichnung als Vorlage gehabt haben, da Isabellas Mann die erste Zeichnung zu deren Ärger weggegeben habe, heißt es in einem Blogeintrag, auf den der Professor für Kunstgeschichte auch heute noch verweist.

Das italienische Kulturministerium muss nun das Mysterium lösen und die Echtheit des Gemäldes prüfen. „Das kann länger dauern“, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Rom. Bisher sei das Bild noch in der Schweiz. „Wir haben es noch nicht gesehen.“ Der Louvre wollte sich dazu nicht äußern - weil keiner aus Paris das Gemälde bislang gesehen habe und weil sich das Museum nicht zu Dingen äußere, die es nicht betreffen.

Spekuliert wird, auf welchen Wegen das Gemälde in den Tresor in der Schweiz kam. Die Zeitung „Repubblica“ schreibt, dass es in die Hände eines ehemaligen Mafiosi und einer Kunstschmuggelgruppe gefallen sei. Es sollte für 120 Millionen Euro an einen britischen Finanzfonds verkauft werden. Den ausländischen Käufern sei vermutlich nicht bewusst gewesen, dass das Ganze einen kriminellen Hintergrund haben oder dass es sich um eine Fälschung handeln könnte. Die Staatsanwaltschaft in Pesaro ermittelt gegen rund 70 Personen.

Der Schmuggel italienischer Kunstschätze ins Ausland sei inzwischen sehr viel schwerer geworden, meint Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder. Speziell bei wertvollen Alten Meistern werde von Auktionshäusern nun sehr genau nach der Herkunft gefragt. Bisher habe das allerdings nicht für die italienische Kunst des 20. Jahrhunderts gegolten. „Da hat unbeobachtet massiv ein Abfluss aus Italien stattgefunden.“ Mit den jüngsten Preis-Explosionen für diese Kunst werde sich das aber wohl ändern, glaubt Schröder.

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