Gustav Klimt in der Sommerfrische am Attersee

Seewalchen (dpa) - Die schmale Bundesstraße schlängelt sich durch enge Orte, vorbei an kleinen Häuschen mit üppig bepflanzten Gärten und geschmückten Holzbalkonen. Tief eingeschnitten in die Gebirgslandschaft liegt der grünblau schimmernde Attersee.

Die dramatische, fast fjordartig anmutende Landschaft im österreichischen Salzkammergut lockte Ende des 19. Jahrhunderts die aufstrebende Bürgerschicht Wiens in die Sommerfrische. Gast in den Runden der Intellektuellen und Industriellen: der damals bereits erfolgreiche Künstler Gustav Klimt, dessen Geburtstag sich am 14. Juli zum 150. Mal jährt.

Klimt, der mit öffentlichen Aufträgen für Renommierbauten und privaten Verpflichtungen zu einer gefeierten, aber auch umstrittenen Größe der Wiener Jahrhundertwendekultur wurde, kam im Umfeld der Familie seiner Freundin Emilie Flöge von 1900 an regelmäßig an den See. Der erfolgreiche Porträtmaler, den die Gesellschaft für die geheimnisvolle und erotische Ausstrahlung seiner Darstellungen liebte, malte hier im Urlaub - oder wie es damals hieß, „in der Sommerfrische“, einfach nur aus eigenem Interesse heraus, ohne Auftrag.

Dabei malte Klimt meist in der Natur vor dem Motiv selbst, einige der Gemälde stellte er allerdings später im Atelier mit Hilfe von Skizzen und Postkarten fertig. Über seinen Tagesablauf berichtet der Künstler in einem Brief an seine Geliebte Mizzi Zimmermann in Wien: „Du willst eine Art Stundenplan wissen - die Tagestheilung - nun die ist wol sehr einfach und ziemlich regelmäßig“, notiert Klimt am 17. August 1902 in eigenwilliger Rechtschreibung.

„Früh morgens, meist um 6 Uhr, ein wenig früher, ein wenig später - steh ich auf - ist das Wetter schön, geh ich in den nahen Wald - ich male dort einen kleinen Buchenwald (bei Sonne) mit einigen Nadelbäumen untermischt, das dauert bis 8 Uhr, da wird gefrühstückt, darnach kommt ein Seebad, mit aller Vorsicht genommen - hierauf wieder ein wenig malen, bei Sonnenschein ein Seebild, bei trüben rpt trüben Wetter eine Landschaft vom Fenster meines Zimmers.“

So entstanden 46 oft großformatige Gemälde von ganz eigener, formal kühner Handschrift. Klimts Kunst zeigt sich hier in ihrem reinsten Wesen, meinen Kenner. Über siebzehn Jahre hinweg verbrachte Klimt die Sommerzeit am Attersee, zunächst von 1900 bis 1907 in Litzlberg, von 1908 an in der Villa Oleander in Kammer, wo mindestens zwölf Bilder entstanden, und schließlich ab 1914 im Forsthaus in Weissenberg im Süden des Sees.

Die entspannte Atmosphäre in der Natur zeigt sich nicht nur in den Gemälden. Sie ist auch in Fotos dokumentiert, die am See entstanden sind und die jetzt, so wie eine Reihe der Landschaftsdarstellungen, in der Ausstellung „Klimt Persönlich“ im Leopold Museum Wien zu sehen sind. Da spielt der Maler auf einem Bootssteg mit der kleinen Nichte Gertrude, schäkert mit seiner Freundin, der Modedesignerin Emilie Flöge, die ihre wallenden, bodenlangen Kleider im Wind flattern lässt, oder sitzt gar selbst im Ruderboot - „um die Muskeln ein bisschen auszuschütteln“, wie er selbst schreibt.

Man traf sich zum Beispiel gerne in der Villa Paulick in Seewalchenm - sommerlicher Treffpunkt von Künstlern, Intellektuellen und Industriellen der aufstrebenden, oft jüdischen Bürgerschicht. Die wählte den Attersee für ihre Sommerfrische und setzte sich auch so vom konservativ geprägten Adel der Habsburger Monarchie ab. Die wiederum urlaubte gerne im nahe gelegenen Bad Ischl, wo Kaiser Franz Joseph im Juli 1914 die österreichisch-ungarische Kriegserklärung an Serbien unterzeichnete.

Weitaus lockerer ging es wohl in den Runden am Attersee zu. Aber „Klimt war in diesen Gesellschaften wohl eher zurückhaltend“, meint Erika Messner, heute Besitzerin der verwinkelt gebauten, historistischen Villa, die ein wenig an das Haus aus dem Thriller „Psycho“ erinnert und seit ihrer Entstehung 1876 kaum verändert wurde. „Zum Glück war nie Geld da für eine Renovierung“, meint die alte Dame, die im Roten Salon sitzt und aus der Zeit erzählt, als sei sie dabei gewesen. Sie hat auch ihre eigene Interpretation des Verhältnisses Klimt-Flöge, über das viel spekuliert wurde und wird.

„Ich glaube, dass sie lesbisch war“, sagt Meissner, „sie haben sich intellektuell und menschlich sehr viel gegeben, da war eine große Tiefe. Aber sie haben nie hier im Haus zusammen geschlafen. Emilie hatte ein Zimmer, und Klimt kam über den See gerudert.“ Noch heute vermietet sie das Haus an Urlaubsgäste, „und alle wollen im Flöge-Zimmer schlafen“, erzählt die Villenbesitzerin. Klimt habe eher immer seine Ruhe gesucht: „Er ist ja viel gewandern, oft mit ihr, wenn er nicht gerade auf eine Wiese stand und Blumen gemalt hat.“

Ein Themenweg führt heute zu wichtigsten Stationen von Klimts Aufenthalten und dokumentiert dabei auch seine Arbeitsweise. Seine eigenwillige Perspektive erreichte er oft mit einem Fernrohr. Oder er machte sich mit einem „Sucher“, einem Pappkarton mit ausgeschnittenem Quadrat auf Motivsuche. Der Weg führt zu zahlreichen Motiven, etwa dem Brauhauskeller von Litzlberg am Attersee, die an van Gogh erinnernde Darstellung der Allee vor Schloss Kammer - die „Häuser in Unterach am Attersee“.

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