Gustav Klimt: Wiener Walzer um das gemalte Gold

Wien (dpa) - Auf Wien reimt sich in diesem Jahr Klimt. Der Jugendstil-Künstler beschert seiner Heimatstadt ein Jubeljahr zum 150. Geburtstag. Alle wollen mitnaschen am goldenen Kuchen.

So einen Glücksfall will niemand auslassen: Ein weltbekannter Künstler, dessen Name allein schon nach Gold klingt und der wie kein Zweiter die Stadt repräsentiert. Der Jugendstil-Maler Gustav Klimt (1862-1918) beglückt Wien mit einem Gedenkjahr. Sein 150. Geburtstag ist zu begehen, und da reiben sich Hoteliers, Museumsdirektoren, Veranstalter und Souvenirhändler die Hände: Wien zwischen Overkill und Neuentdeckung.

Schon in gewöhnlichen Jahren ist es unmöglich, die Innenstadt zu durchqueren, ohne über Klimt-Nachahmungen zu stolpern: Hier eine „Kuss“-Imitation auf einer Brillenschatulle, dort ein „Adele“-Motiv auf einer Einkaufstasche, dann wieder Klimt-Ornamente auf Krawatten und Halstüchern. Im Jahr des 150. Geburtstags nimmt die Dichte an solchen Angeboten sowohl in Souvenirshops als auch in den Auslagen biederer Traditionsgeschäfte spürbar zu.

Dazu kommen Hunderte von Plakate und Fahnen mit unverkennbar Klimt'schen Frauenbildnissen und dem schwarz-weißen Konterfei des Künstlers, mit denen die Museen für ihre Ausstellungen werben. Museen wie Souvenirhersteller können sich gleichermaßen auf die unverwechselbare Handschrift verlassen: Viel Gold und grafische Elemente, und schon ist die Klimt-Spur gelegt.

Ein „Geschenk“ nennen Wiens Touristiker das Jubiläumsjahr. Der Erfolg scheint programmiert, denn „Klimt ist eine international bekannte Marke“, meint die Sprecherin von Wien Tourismus, Vera Schweder.

Für Direktor Wolfgang Kos vom Wien Museum erfüllt Klimt wunderbar die Erwartungen von Wien-Touristen an die Stadt: „Klimt ist wahnsinnig wienerisch. Diese Opulenz, die Ornamente, die Freude am Drapieren, das spiegelt die Prachtentfaltung der Ringstraßenzeit“, sagt Kos und fügt hinzu: „Auch Nostalgie ist etwas sehr Wienerisches, es gibt hier eine große Freude am Rückbezüglichen. Das ist es dann auch wieder, was die Touristen suchen. In Klimt fließt das Selbstbild der Stadt zusammen mit dem Fremdbild“.

Das bringe die Stadt aber auch in ein Dilemma, meint der Kulturhistoriker: Das kulturelle Profil der Stadt werde fast ausschließlich von einem Künstler besetzt, der eine 100 Jahre alte Strömung repräsentiert. Klimt sei tief im 19. Jahrhundert verwurzelt. „Die Dinge danach liegen im Schatten des Mythos Wien um 1900, das gilt für Wiens Kulturleistungen des 20. Jahrhunderts ebenso wie für zeitgenössische Kunst.“

„Seit etwa 30 Jahren ist die Klimtisierung Wiens ein reales Phänomen“, urteilt Kos. Er sieht im Jubeljahr durchaus eine Chance. Denn die Wiener Ausstellungshäuser haben die eigene Beständen nach Unbekanntem und selten Gesehenem durchforstet und sind fündig geworden: Briefe, Karten und persönliche Dokumente werfen ein neues Licht auf das Leben des Künstlers. Entwürfe und Zeichnungen rücken eine konzentrierte, stille Seite jenseits der goldenen Phase in den Fokus.

Damit könnte das Jubeljahr durchaus nachhaltig wirken, hofft Kos: „Man muss auch sehen, dass jetzt viele Dinge gezeigt und publiziert werden, die noch nie veröffentlicht wurden. Ich glaube, alle Museumsleute in Wien wünschen sich einen differenzierteren Blick, denn es gibt ein Übermaß an Affirmation.“

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