Historisches Museum Berlin: Die Kunst der Mächtigen

In den Chefetagen von Wirtschaft und Politik versuchen Führungskräfte, mit Gemälden zu beeindrucken.

Berlin. Als Helmut Kohl 1982 ins Bonner Kanzleramt einzog, stellte der Pfälzer ein Aquarium auf und ließ den Schrank hinter dem Kanzlerschreibtisch umbauen.

Helmut Schmidt hatte noch mit dem Rücken zur Bücherwand regiert, Kohl wollte lieber vor einem Regal mit Holzfiguren, Buddelschiffen und Kerzenleuchtern gesehen werden.

Die letzten beiden Kanzler der alten Bundesrepublik sortierten jeder auf seine Weise die Markenzeichen ihrer Persönlichkeit ins Regal hinterm Schreibtisch.

Das Amtszimmer der 70er und 80er Jahre sah dadurch noch nicht aus wie ein politischer OP-Saal, sondern wie ein Wohnzimmer. Keiner der beiden dachte damals daran, sich wie Gerhard Schröder oder Angela Merkel in Berlin vor eine klinisch leere Wand zu setzen und mitten hinein ins Weiß ein Ausrufezeichen zu hängen: Den stürzenden Bundesadler von Georg Baselitz (Schröder) oder das Adenauerporträt von Oskar Kokoschka (Merkel).

Eine neue Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Berlin zeigt jetzt Dutzende Ansichten von Machtmenschen vor Kunstwerken. Spätestens in dieser Ansammlung wird sichtbar: Weiße Wand plus künstlerischer Paukenschlag - dieser Kryptomodernismus findet sich heute hinter jedem zweiten Chefsessel.

Wissenschaftler dagegen, vor allem solche mit historischem Interesse, lassen sich auch heute noch am liebsten vor Bücherwänden fotografieren. Das wirkt nicht so gewollt kunstsinnig, sondern solide - und hat den Vorteil, dass der Betrachter zwischendurch mal die Buchdeckel studieren kann.

Selbst bei Kohls privatem Sammelsurium fühlt man sich als Zuschauer nicht annähernd so ruppig mit der Nase aufs politische Ego des Schreibtischinhabers gestoßen wie bei den jüngeren Inszenierungen von "Schröder vor Baselitz" oder "Merkel vor Kokoschka".

Kunst und Macht sind seit jeher eng verknüpft. Die Behauptung der Ausstellungsmacher jedoch, die Kunst selbst sei Teil einer Herrschaftsstrategie, überfordert die Sache ein wenig: Die Arbeiten prominenter Malerfürsten in der Bürodekoration sind öffentlich weniger wirksam als Mompers roter Schal, Genschers gelber Pullunder oder Sahra Wagenknechts Rosa-Luxemburg-Frisur.

Kunstsinnige Machthaber wollen zwar unverwechselbar sein, schwimmen aber am Ende in der gleichen Image-Suppe wie Hunderte anderer Führungsfiguren. Denn auch in der routinehaften Dekoration von Chefetagen ist Kunst heute höchstens Teil einer Firmenidentität.

Anders herum: Wer sich wie Angela Merkel ein Adenauer-Porträt ins Büro hängt, ist deswegen nicht traditionsbewusster als Jürgen Rüttgers, der sich für abstrakte Arbeiten von Emil Schumacher entscheidet.

Genauso wenig wie die Weltkugeln auf den Schreibtischen von Hermann Göring, Konrad Adenauer oder Angela Merkel auf die gleichen imperialen Gelüste schließen lassen.

Und dass der Kunstfreund Guido Westerwelle gerne figürliche Motive sammelt, heißt keinesfalls, dass er sich damit gegen die Mehrzahl der deutschen Firmenlenker mit ihren fast ausnahmslos abstrakten Büro-Bildern stellen wollte.

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