Malerei triumphiert über neue Medien

700 angehende Maler, Bildhauer und Fotokünstler öffnen ab Mittwoch ihre Ateliers für das Publikum.

Malerei triumphiert über neue Medien
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Am Mittwoch beginnt der Rundgang in der Kunstakademie, das größte Nachwuchskunstereignis in düsseldorf. Bis zu 45 000 Neugierige werden dort bis Sonntagabend erwartet. 701 Studenten machen mit, mehr denn je zuvor. Die Besucher kommen voller Erwartungen, weil sie die Kunst hautnah erleben können. Kein Kurator beschwatzt sie mit Konzepten, die jungen Kreativen geben selbst Auskunft. Wer Techniken, Inhalte oder gar Preise wissen will, darf ruhig fragen. Die Studenten erzählen nur zu gern über ihr Leben, ihre Kunst und ihre Vorstellungen.

Rahel Gubari verbindet mit seinem Familienbild in strahlenden Farben sein eigenes Schicksal. Er kommt aus dem Nordirak, hat kein Abitur, studierte in seiner Heimat und in Syrien, bevor er in Düsseldorf loslegte. Zugleich hat er als Tutor wie ein Schäferhund über die riesige Anzinger-Klasse mit ihren 61 Studenten gewacht. Nun ist dies alles vorbei. Er malt seinen Abschied im eigenen Familienbild mit sich selbst als Wuschelkopf.

„Ich habe das Bild nicht konzipiert, es ist so geworden. Ich habe es fünfmal geändert, und viereinhalb Monate daran gesessen“, sagt er. Nun wirken die Farben kostbar. Die Rottöne, das Saftgrün, die diversen Blaus beweisen sein malerisches Talent. Auch Neznard Askari (Brandl-Klasse) kommt aus der Ferne. Sie setzt sich in ihrer Bilderfolge vors Fenster, den Rücken zu uns gewendet, und schaut durch das Fenster. Vielleicht sieht sie beim Blick in die Ferne ihre Zukunft.

Jonathan Auth (Anzinger) reflektiert den Standort der Malerei in unserer heutigen Zeit. Er malt sich selbst als ältlichen Clown mit flacher Brust und dicklichem Bauch. Sein Kommentar verwundert: „Die Malerei gilt heute als verkrustet. Selbst mein Lehrer Anzinger behauptet, er sei ein auslaufendes Modell.“ Derlei Kommentare hören sich an, als müssten sich die angehenden Maler schämen, dass sie die Tradition mit Pinsel und Ölfarbe hochhalten.

Dennoch kämpfen die Malerjünger weiter. Es ist der Kampf gegen die neuen Medien. Lasse Peters malt ihn als Klassenkampf und benutzt dazu das alttestamentarische Thema von Kain und Abel. Alexander Sascha Freisburger (Schulze) zweiteilt die Figur: Der Kopf ist im expressiven Stil von Markus Lüpertz wiedergegeben, der Rest wirkt zart. Der Student erklärt: „Der Kopf hat keine Beziehung mehr zum Körper.“

Es gibt Alternativen zur Pinselkunst. Die Chinesin Wei Shao (Trockel) klebt 50 000 (!) bunte Sticker und macht daraus ein Farbvergnügen. „Diese Kunststoffteile sind pure Farbe“, sagt sie. Vivian Greven (Herold) setzt ihre Ölmalerei auf zähflüssiges Gießharz oder bestreut das Material vor dem Erhärten mit Farbpigmenten, bevor die Scheiben mit Eisenrahmen verbunden und zum Paravent verarbeitet werden. Nun wirken die Farben leicht verblichen wie Aquarelle der Frührenaissance.

Den Glauben an die Malerei hat sich die Klasse des Dresdners Eberhard Havekost bewahrt. Hier erzeugt Melanie Dorfer als Gast aus Karlsruhe einen Hingucker mit ihrer silbern schimmernden, fast schon magischen Ecke. Sie verspachtelt die Leinwand mit der Wand, verzieht den rahmenlosen Stoff und besprüht ihn mit Chromsilberspray.

Das Ergebnis wirkt wie ein 3D-Effekt. Die Farbe springt vor und zurück, reflektiert die Lampen im Raum und lässt sich nicht fassen. Norman Begert malt LED-Leuchtbilder, deren Buchstaben eine Beschleunigung suggerieren. Dabei weiß er genau, dass die Malerei diese Bewegung nie leisten kann. Sie bleibt statisch.

Zum Beweis, dass ein Gemälde auch heute betörend sein kann, malt Klara Virnich einen farbenprächtigen Tiger und lässt sich dabei von den berühmten Vorbildern Peter Paul Rubens und Henri Rousseau inspirieren.

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