Museen retten verlorene Klänge der Arbeit

Dortmund (dpa) - Die alte Registrierkasse klingelt, der Polizeiwagen aus den 60er Jahren rast mit Blaulicht und Sirene durch die Straßen und der Webstuhl rattert: Manche Geräusche sind in der heutigen Alltagswelt bereits verstummt oder werden bald nicht mehr zu hören sein.

Museen retten verlorene Klänge der Arbeit
Foto: dpa

Sechs Museen aus Europa haben es sich zur Aufgabe gemacht, die „Klänge der Arbeit“ zu retten. Zwei Jahre lang wurde mit Kamera und Mikrofon Jagd auf Töne gemacht. Was sonst eher Radio- oder Fernsehsendern vorbehalten ist, haben die Museen archiviert und für Jedermann kostenlos zugänglich gemacht. Es darf gehört und gesehen, gemixt oder als Hintergrundgeräusch eingebaut werden. Im Dortmunder Industriemuseum kann sogar ein Geräuschquiz gespielt werden.

Mehr als 600 Klänge aus Bergwerken und Industriehallen, auf dem Wasser, auf der Straße, aus Büros und Haushalten haben Museen für das EU-Projekt „Work with Sounds“ gesammelt. Beteiligt ist jeweils ein Arbeitsmuseum aus Deutschland, Belgien, Schweden, Polen, Slowenien und Finnland. Die mit Abstand meisten Klicks auf der Projektwebseite zählt die Aufnahme eines Zahnarztbohrers.

Die Museen sind aber nicht die alleinigen Geräuschesammler. In Essen hat Jan Derksen mit seinem Freund und Geschäftspartner Daniel Chun das Projekt „Conserve the Sound“ auf die Beine gestellt. Rund 200 Geräusche haben sie bisher gesammelt, wie das Rattern einer alten
Schmalfilmkamera, das Quietschen von Fingernägeln auf der Tafel, das Piepen eines Internetmodems oder das Geräusch der Flugzeugmotoren der alten „Tante Ju“. Zu den neuesten Werken zählen das Klacken eines Trockenseifenspenders und das Drehgeräusch eines Bakelit-Drehlichtschalters.

Klänge haben manchmal eine viel eindringlichere Wirkung als visuelle
Signale. „Geräusche sind etwas Sinnliches, das Erinnerungen weckt. Menschen mit Demenz kann man schöne Stunden wieder erleben lassen“, sagt Barbara Rüschoff-Thale vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Träger des Dortmunder Industriemuseums.

Die ersten wissenschaftlichen Versuche, unsere Geräuschwelt zu
dokumentieren und zu bewahren, gab es vermutlich in den 1970er Jahren. Ein Team von Wissenschaftlern um den kanadischen Komponisten und Klangforscher R. Murray Schafer zog durch Kanada und Europa, um dort den Wandel der Geräuschkulisse zu dokumentieren. Schafer vertritt die Ansicht, dass Landschaften deshalb nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar seien.

Der neue Ansatz stammt nicht aus Kanada, sondern aus Schweden. „Die Idee des Projekts wurde in Schweden geboren“, sagt Torsten Nilsson vom Arbeitsmuseum in Norrköping. Die Schweden liefern viele Geräusche um das Holz herum. Aus Deutschland kommen Töne aus der Schwer- und Textilindustrie, aus Belgien neben dem Zahnarztbohrer viele Stadtgeräusche aus Brüssel. Beliebt sind auch das Klicken und Ratschen einer Instamatic-Kamera oder die Datenverarbeitung eines IBM-Rechners.

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