Neues Fotobuch: Das Chamäleon Cindy Sherman

Ein Fotobuch dokumentiert die Arbeit der Ausnahme-Künstlerin.

New York. Cindy Sherman verändert ihren eigenen Körper mit Masken, Perücken, Requisiten und Schminken, bevor sie auf den Auslöser drückt. Keine Performance-Künstlerin erzielt mehr Erfolg für ihre Fotos als sie. Ihre teuerste Aufnahme brachte im Vorjahr mehr als 3,89 Millionen US-Dollar bei Christie’s in New York.

Die 59-jährige Amerikanerin verkleidete sich erstmals als Studentin und erhob die Verwandlung ihres Ichs zum künstlerischen Konzept. Nun erhält sie ein farbenprächtiges Fotobuch im Schirmer/Mosel-Verlag und eine große Retrospektive mit 170 Fotos und Wandbildern im Museum of Modern Art in New York.

Ob Sexbombe, Politikergattin, oder Kleinkriminelle, Sherman findet immer wieder neue Klischees für ihr Rollenspiel. Die Transformation des eigenen Ichs in Figuren der Gesellschaft und der Kunstgeschichte wirkt wie eine Mischung aus Karneval und Märchen.

Kunst solle nichts Religiöses oder Heiliges sein, sagt sie im Gespräch mit der Kuratorin Eva Respini aus New York, man müsse sie sofort verstehen. Sie imitiert Rollen, die man zu kennen glaubt, und macht sich zugleich über Typen lustig, wenn sie sich in Caravaggios „Kranken Bacchus“ verwandelt, aber aus dem Selbstporträt des Renaissancemalers eine muskulöse Dame von heute macht.

Diese Frau bleibt ein Rätsel. Denn selbst in makabren oder monströsen Figuren weiß der Betrachter sofort, dass er Fotos der Sherman vor sich hat. Mit großen Nasen, aber auch mit Badelatschen parodiert sie Madame Pompadour oder eine Madonna. Jedermann soll die bloße Fassade erkennen.

Anfangs reiste sie mit einem kleinen Koffer an, zog sich hinter einem Müllcontainer um, bevor eine Freundin auf den Auslöser drückte. Auch heute noch braucht sie kein Team von Assistenten, sondern nur sich selbst und den Spiegel für die Kontrolle.

Der Betrachter jedoch sucht in den Travestien vergeblich nach dem Ich der Künstlerin. Sie selbst verrät sich nicht. Wie ein Chamäleon passt sie sich den Situationen an und variiert ihre Körperform, die sie selbst erzeugt.

Info: Ausstellung bis 11.6. Museum of Modern Art, NY, anschließend S. Francisco, Minneapolis und Dallas. Buch: Eva Respini. Schirmer/Mosel, 264 S., 255 Abb., 59 Euro.

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