Nofretete, die Schöne aus der Wüste

Die Nofretete wurde vor 100 Jahren in Ägypten ausgegraben, fast genauso lange streiten sich Kairo und Berlin um die Büste.

Berlin. Mehr als 3000 Jahre lag sie im ägyptischen Wüstensand, niemand wusste von ihrer Existenz. Doch als der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt vor hundert Jahren die Büste der Nofretete in Amarna entdeckte, ahnte er gleich, dass er auf Großes gestoßen war. „Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen“, notiert er am 6. Dezember 1912 nachts in sein Grabungstagebuch.

Mittlerweile lockt die Pharaonengattin mehr als eine Million Besucher jährlich ins Neue Museum in Berlin. Mit ihrem ebenmäßigen Gesicht und dem entrückten Lächeln gilt sie als wohl schönste Frauenskulptur der Welt.

Neuere Studien belegen, dass sie im Reich ihres Gatten Echnaton um 1340 v. Chr. eine ungewöhnliche Machtstellung hatte und ihr Ehrgeiz, Macht und Staatsräson keineswegs fremd waren. „Nofretete war nicht nur die schöne Frau an Echnatons Seite. Sie war Prophetin, Geliebte und gottgleiche Mitherrscherin“, sagt der Heidelberger Kunsthistoriker Franz Maciejewski.

Der Fund ihrer Büste vor hundert Jahren gilt bis heute als Sternstunde der Archäologie. Der Altertumsforscher Borchardt leitete damals im Auftrag der deutschen Orient-Gesellschaft die Ausgrabungen in Amarna, den Ruinen der altägyptischen Königsstadt Achet-Aton etwa auf halber Strecke zwischen Luxor und Kairo. Echnaton hatte seinen Herrschersitz hierher verlegt, um dem Sonnengott Aton zu huldigen.

Im Südteil der Stadt stießen die deutschen Forscher mit ihren rund 200 Helfern auf die ungewöhnlich gut erhaltene Werkstatt des Oberbildhauers Thutmosis mit mehr als 50 Kunstwerken in verschiedenen Herstellungsstadien.

Der Kopf der Nofretete, 47 Zentimeter hoch, aus Kalkstein und mit mehreren Lagen Gips modelliert, zeichnete sich dadurch aus, dass er im Gegensatz zu dem meisten anderen Stücken reich bemalt ist. „Farben wie eben aufgelegt“, notiert Borchardt an jenem Nikolaustag. „Nur die Ohren etwas von der rechten Seite der Perücke bestoßen.“

Insgesamt wurden in Amarna mehr als 10 000 Fundstücke geborgen. Wie damals üblich teilten Deutsche und Ägypter den Fund je zur Hälfte, Nofretete kam nach Berlin. Und obwohl vom 20. Januar 1913 ein exaktes Teilungsprotokoll vorliegt, wurde die schöne Königin bald zum Zankapfel. Bereits bei der ersten öffentlichen Präsentation 1924 in Berlin forderte Kairo das wertvolle Stück zurück.

Später machte der inzwischen abgelöste Antikenminister Zahi Hawass, wegen seines Schlapphuts Indiana Jones genannt, die Rückführung der Büste zu seiner Lebensaufgabe.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verwahrte sich aber mit Hinweis auf die Rechtslage gegen alle Forderungen. „Die Nofretete ist und bleibt die beste Botschafterin Ägyptens in Berlin“, so das Credo von Stiftungspräsident Hermann Parzinger.

Seit 2009 residiert die 3400 Jahre alte Dame im nördlichen Kuppelsaal des von David Chipperfield sanierten Neuen Museums. Hinter schusssicherem Glas schaut sie den Betrachter aus ihren beiden unterschiedlichen Augen an.

Zur Eröffnung der Sonderausstellung hat sich trotz der Umbruchsituation in Kairo der neue Antikenminister Mohamed Ibrahim Ali angesagt. Und vielleicht wird es so aussehen, als spitze Nofretete die Ohren, was er zu ihrer Zukunft zu sagen hat.

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