„Rasender Stillstand“ im Kunstmuseum Wolfsburg

Wolfsburg (dpa) - Zwei Autos kurz vor dem Crash und ein stilles Nachtbild von Caspar David Friedrich: Die Gegensätze von Ruhe und Bewegung thematisiert das Kunstmuseum Wolfsburg in seiner neuen Ausstellung „Die Kunst der Entschleunigung“.

160 Exponate aus vier Jahrhunderten dokumentieren den künstlerischen Umgang mit Zeit. Zu sehen sind Werke von 85 Künstlern wie William Turner, Auguste Rodin, Mark Rothko, Andy Warhol und Joseph Beuys, Gerhard Richter, Thomas Ruff oder Andreas Gursky. „Wir treffen den Nerv der Zeit“, sagte Museumsdirektor und Kurator Markus Brüderlin. Die Schau ist vom 12. November bis zum 9. April geöffnet.

Die Unruhe unserer Medienwelt mit ihrer Bilderflut wird besonders beeindruckend von Nam June Paiks Videoskulptur von 1992 gezeigt. Auf 217 Monitoren, aufgestellt in Form des Brandenburger Tors, flimmern die Bilder in schneller Abfolge. Im Gegensatz dazu: sinnliche Farbfeldmalereien des Amerikaners Mark Rothko, die zur Innenschau anregen.

Als Installation sind vor dem Museum zwei Autos des kalifornischen Künstlers Jonathan Schipper zu sehen. Noch ist ein halber Meter Luft zwischen ihnen, für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar sind sie dennoch mitten im Crash. Wenn die Schau nach 22 Wochen im April endet, werden sich die Fahrzeuge ineinander verkeilt haben. Pro Tag bewegen sie sich 13 Millimeter aufeinander zu.

Die Entwicklung immer schnellerer Transportmittel, weiter reichender Kommunikationswege und optimierter Produktionsverfahren hätten das Lebenstempo seit dem 19. Jahrhundert kontinuierlich erhöht, sagte Brüderlin. „Bis hin zum "rasenden Stillstand"“, zitiert der Museumsleiter den französischen Philosophen Paul Virilio.

Die Begriffe Geld und Arbeit hat das Museum über die Werke von Ai Weiwei und Andreas Gursky gestellt. Zwei große Keramikschalen lassen an Reisschüsseln denken. „Statt Reis sind 625 125 Süßwasserperlen darin. Perlen, die nicht satt machen, die aber die Menschen verführen“, sagte Museumssprecherin Rita Werneyer. Daneben erinnern die Fotos von Gursky an die Hektik der Finanzmärkte.

Ursprünglich habe er nur die Beschleunigung als Aspekt in der modernen Kunst zeigen wollen. „Dann haben wir schnell entdeckt, dass das nur die halbe Wahrheit bedeutet, da ist auch immer die Entschleunigung“, stellte Brüderlin fest.

Und so startet die Ausstellung mit einem „Stein des guten Glücks“, eine Kugel auf einem Quader - entsprechend dem Denkmal, das Goethe als Sinnbild für eine gelungene Balance vor sein Gartenhaus in Weimar setzen ließ. Die Kugel stand für Goethe für die ruhelose Bewegung und der Quader für Stabilität und Beständigkeit.

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