Sprayer Seak: Der Weltstar aus Hürth

Den Sprayer Claus Winkler kennen Fans nur unter seinem Künstlernamen Seak. Jetzt erfindet sich der Rheinländer neu — und malt auf Leinwand. Ein Besuch im Atelier.

Hürth. In Los Angeles, in Sidney und in Mexiko erkennen ihn Menschen auf der Straße, in seiner Heimat im Rheinland bewegt sich Claus Winkler (39) weitgehend unerkannt, würde da nicht groß der Künstlername Seak auf seiner Jacke prangen. Seine Graffitis sind weltweit auf Wänden zu sehen. Seit Jahren ganz legal, denn Seak wird von Kunden beauftragt.

In Düsseldorf hat er ein Treppenhaus für die Stadtwerke gestaltet. Auch das Jugendamt in Neuss und etliche Wartehäuschen der Kölner Verkehrsbetriebe hat er mit seinen typischen Motiven besprüht: futuristische, comicartige Antennenmännchen oder sein Schriftzug „Seak“. Das Markenzeichen: die Dreidimensionalität. Sogar einen Waggon des „Thalys“-Zuges, der NRW mit Paris verbindet, durfte er hochoffiziell verschönern.

„Ich möchte nicht nur als der Graffiti-Sprayer bekannt sein, sondern als Künstler ernst genommen werden“, sagt Seak, während er durch das Atelier-Haus in seinem Heimatort Hürth bei Köln führt. Auf den Wänden steht schon sein Schriftzug. „Ich male das Haus gerade komplett an.“ Im Sommer arbeitet er gern auf der Terrasse, im Winter im Atelier. Abgesehen von einem zerfledderten Sofa, Farben und ein paar Stühlen ist hier nur das Wesentliche: Seaks Kunstwerke.

Der 39-Jährige arbeitet immer an mehreren Werken gleichzeitig, zurzeit beschäftigt ihn aber besonders eine Leinwand, auf der in Ölfarbe in riesigen Lettern mit Zacken das Wort „Wir“ zu lesen ist. Die knalligen Farben — gelb, rot, rosa — ziehen den Betrachter in den Bann, im Hintergrund sind in einer comicartigen Schrift Glaubens- und Motivationssätze zu lesen und ganz zart kleine Herzen zu erkennen. „Nach einer langen Phase des Selbstzweifels habe ich versucht, wieder zu alter Größe zu finden“, erzählt der Künstler, während er auf sein Werk schaut. Zunächst habe er dann eine Serie von Bildern angefangen, auf denen das Wort „Ich“ zu lesen ist, „bis ich gemerkt habe, dass ein ,Ich’ alleine ziemlich scheiße ist“. Hinter diesen Gemälden steht eine Philosophie. Nun also „Wir“.

Ganze Generationen von Sprayern hat Seak beeinflusst — und natürlich macht er noch immer solche Bilder, aber er erfindet sich gerade neu. Er malt mit Öl auf Leinwand und bleibt dem futuristischen, comicartigen Stil trotzdem treu. „Ich hoffe, dass die Werke auch so geil sind, dass Leute sie wollen. Unabhängig von meiner Sprayer-Reputation.“

Begonnen zu sprayen hat er bereits als Teenager, auch um die Mädchen zu beeindrucken. Seine Eltern waren tolerant, haben ihn machen lassen, obwohl der Sohn illegal öffentliches Eigentum besprühte. Ende der 90er hatte Seak sich einen Namen gemacht. „In der Szene war ich auf einmal total bekannt.“ Das habe ihn überfordert. Rückblickend glaubt er, dass ein Berater zu jener Zeit wichtig gewesen wäre. „Alles, was ich gemacht habe, habe ich gelebt“, sagt er und meint damit auch exzessives Feiern und Drogen. „Das war anstrengend, jetzt will ich nur noch meine Bilder malen.“ Partys hat Seak seit vier Jahren abgeschworen: Er trinkt Ingwertee, kauft Bioprodukte und hat mit Hilfe eines Personal-Trainers 20 Kilo abgenommen.

Gelernt hat er inzwischen auch Verhandlungsgeschick. Einen Galeristen hat er nicht, er verkauft seine Bilder selbst. Er erinnert sich etwas perplex an die Anfänge des Ruhms, etwa als ihm ein Kunde mehrere Graffiti auf Leinwänden abkaufte. „Da war ich auf einen Schlag meine Schulden los.“

Über seine Kunden denkt Seak viel nach und hat seine ganz eigenen Verkaufsregeln. „Wenn jemand Hartz VI bezieht, aber ehrliches Interesse hat, bemale ich ihm die Wände seiner Wohnung.“ Jeder könne theoretisch anfragen. Er habe aber gemerkt, dass nur wenige Mittelständler Kunst kauften. „Wer aus Meerbusch kommt, der bekommt nur ein großes, teures Bild“, erklärt Winkler seine Geschäftspolitik. „Ich bin bescheiden, aber ich kann mich als Marke ja nicht kleinmachen.“

Seak ist ein Künstler auf der Suche. Ständig beschäftigt ihn die Frage: Welche Rolle will ich in 30 Jahren spielen? Klar ist für ihn: „Ich will geile Bilder machen.“

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