Wie der Schrecken weiterwirkt

Das Von der Heydt-Museum in Wuppertal zeigt eine Ausstellung über den belgischen Künstler James Ensor.

Wuppertal. "Schrecken ohne Ende" - ein ungewöhnlicher Titel für eine Kunstausstellung. Doch das Wuppertaler Von der Heydt-Museum, das morgen eine Schau mit Werken von James Ensor (1860-1949) eröffnet, hat gute Gründe dafür. Das Museum zeigt 50 Gemälde und 60 Papierarbeiten des Belgiers. Begleitend dazu sind 110 Werke anderer Künstler zu sehen, die den Einfluss Ensors nachvollziehbar werden lassen.

"Die Wirkung von Ensors Kunst hält bis in die Gegenwart an", erklärt Museumsdirektor Gerhard Finckh. Zwar habe es einige Ensor-Ausstellungen in den vergangenen Jahren gegeben, in denen auch auf seinen großen Einfluss auf andere Künstler verwiesen wurde. "Aber wir machen das nun physisch erfahrbar", so Finckh.

Ein unübersehbares Zeichen für den Bezug der Ausstellung auf die Kunst der Gegenwart hängt in einem der Ausstellungsräume dicht unter der Decke: Es ist eine Skulptur von Marcus Weber von der Berliner Künstlergruppe "Bonjour Mr. Ensor". Die Figur stellt einen Künstler mit Palette dar. Sein Kopf: ein Totenschädel. So nimmt das Werk "THX JE 9607" von 2007 Bezug auf ein Selbstbildnis von Ensor von 1896/97, auf dem der Maler als "Skelett mit Staffelei" zu sehen ist.

Solche morbiden, surrealen Motive wie Totenkopf, Skelett und Gespenster, grotesk anmutende Masken und Fratzen sowie die Darstellung von bedrohlich wirkenden Menschenmassen durchziehen die Bilder von Ensor. Es ist der Schrecken, das Unheimliche, das den Künstler reizt. Seine Gemälde erstrahlen meist in hellen, leuchtenden Farben. Sie zeigen ebenso wie die Papierarbeiten das Skurrile, das Abgründige und tragen dabei einen feinen ironischen Zug.

Gab es in dieser Zeit auch schon bei anderen Künstlern Harlekine und Maskierte zu sehen, so war die Zuspitzung der Motivik und die Darstellungsweise, wie sie Ensor entwickelte, neu. Das zeitgenössische Publikum war überrascht, geschockt, empört. Auch einige Malerkollegen fühlten sich abgestoßen, wie etwa Vertreter aus dem direkten künstlerischen Umfeld.

Viele andere aber waren fasziniert von dem, was da in der Belgischen Provinz entstand. Kollegen wie Erich Heckel oder Emil Nolde besuchten Ensor in seiner Heimatstadt Ostende. Andere studierten seine Bilder in Ausstellungen. So begann Ensors Werk Früchte zu tragen.

Zahlreiche Bekannte sind in der Wuppertaler Schau vertreten, beispielsweise Paul Klee und Edvard Munch, auch Max Ernst und Salvador Dalí. Insbesondere die Surrealisten haben sich natürlich sehr für Ensor und seine Beschäftigung mit dem Tod und dem Unbewussten interessiert. Daher darf der Belgier als Vorläufer dieser Stilrichtung gelten.

Das Von der Heydt-Museum zeigt diese vielfältigen Verbindungslinien nicht rein chronologisch, sondern thematisch in elf Kapiteln angeordnet. So gibt es unter anderem die Kapitel "Das Gespenstische - Masken und Tod", "Das Porträt des beschädigten Menschen" oder auch "Der bürgerliche Salon" und "Religion und Wahn". In einem Raum finden sich zudem Stillleben versammelt. Etwa ein Drittel der Ölgemälde von Ensor sind Stillleben, und mehrmals entdeckt man darauf auch einen Rochen.

Das fratzenartige Gesicht dieser Fischart erwies sich offenbar als ein ergiebiges Motiv für den Belgier. Und auch darin folgten ihm Kollegen, nicht nur der befreundete Maler Willy Finch, sondern fast genau hundert Jahre später auch Werner Büttner. Dieser malte vor fünfzehn Jahren einen überraschend ähnlich aussehenden Rochen. Verblüffende Einsichten liefert diese Ausstellung also und sorgt beim Besucher allenfalls für einen schönen Schrecken.

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