Lehmbrucks Kniende wird 100

Duisburg zeigt Werke des Bildhauers und seiner Kollegen.

Duisburg. Dem neuen Museumsdirektor Raimund Stecker ist ein publikumswirksamer Geniestreich gelungen. Er feiert den 100. Geburtstag von Wilhelm Lehmbrucks „Kniender“. Die Skulptur stand jahrzehntelang im Freien und wurde jetzt aus Angst vor Metalldieben ins Haus geholt. Und siehe da, die Besucher strömen zu einer Figur, die sie längst kennen. Sie himmeln sie an. Stecker fand gar zur Eröffnung die passenden Worte, dass auch die Besucher niederknien könnten.

Was ist an dieser Knienden so bezaubernd? Eine Verkündigungsfigur wie aus der Gotik, die jedoch die Beine auf einer schmalen Plinthe (niedriges Fundament) aufgestützt hat? Zitate aus Jugendstil und Antike in den Gesten des Verdeckens von Brust und Scham? Den Blick hat sie gesenkt, so dass niemand in ihre Augen schauen kann. Ihr jugendlicher Körper, ihre graziöse Haltung entzücken. In unserer allzu freizügigen Zeit erstaunt die Keuschheit im Antlitz und im Motiv des Tuchs, das verhüllt und zugleich enthüllt. Und es begeistert die Sinnlichkeit. Derart spitze Brustwarzen kann nur ein Liebender, ein frisch Verheirateter wie Lehmbruck erfassen.

Die Ausstellung, die von der hauseigenen Kuratorin Marion Bornscheuer betreut wird, ist glanzvoll aus einem anderen Grund. Sie lässt die Heroen der Bildhauerei aus Paris um 1900 Revue passieren. Sie beginnt mit dem Schädel von Constantin Meunier, einem plastischen Meisterwerk von 1893. Sie zeigt George Minnes „Knienden Jüngling“ vom Knabenbrunnen im Folkwang-Museum, dessen klar strukturierte Rückenpartie die Formen des späteren Lyonel Feininger vorausnimmt. Minne war einer der Ersten, der mit den langen Beinen einer Figur kurzen Prozess machte, indem er den männlichen Akt knien ließ. Was herauskommt, wenn man dünne, staksige Männer stehend belässt, zeigt Lehmbruck in früheren Figuren: Sie langweilen fast.

Ein Höhepunkt der Schau ist Constantin Brancusis Grabmalfigur. Der rumänisch-französische Bildhauer war Lehmbrucks Nachbar in Paris. Er lässt seine Trauernde nach vorn kippen und sorgt für eine spannungsvolle Balance in der Körperhaltung. Mit dieser Figur von 1907 begann sein individueller Stil im Übergang von der Figur in die Abstraktion.

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