Margot Käßmann im Interview: „Der Tod ist für mich kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt“

Selbstverständlich könne man über Tod und Abschied auch Scherze machen und lachen — findet die Theologin Margot Käßmann.

Düsseldorf. Das Sterben geht jeden an, doch häufig wird es verdrängt. Nicht so bei der ARD, wo es von Samstag an im Mittelpunkt der Themenwoche „Leben mit dem Tod“ steht. Projektpaten der Themenwoche sind Reinhold Beckmann, Kabarettist Dieter Nuhr und die Theologin Margot Käßmann. Mit unserer Zeitung sprach sie über das Thema.

Frau Käßmann, der Tod ist allgegenwärtig im Fernsehen. Warum braucht man da noch eine Themenwoche über das Sterben?

Margot Käßmann: Das Interessante ist beispielsweise, dass Kinder diesem fiktiven Tod im Fernsehen ständig ausgesetzt werden — und auf der anderen Seite heißt es dann, man kann ein Kind doch nicht mit zu einer Beerdigung nehmen. Wir müssen aber damit umgehen, dass wir alle sterben werden — und zwar ganz real sterben, nicht fiktiv. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod ist wichtig im Leben, und das zu fördern ist mir ein Anliegen.

Und diese Auseinandersetzung ist den Zuschauern zumutbar?

Käßmann: Absolut. Es geht doch zum Beispiel um die Frage: Wie will ich sterben? Es ist einfach wichtig, darüber einmal nachzudenken, sonst stehen die Angehörigen eines Tages da und wissen nicht: Hätte die Mutter gewollt, dass eine Magensonde gelegt wird, oder wie hätte sie sich die Trauerfeier gewünscht? Es gilt ja vieles zu entscheiden am Schluss. Sich darüber mal vorher Gedanken zu machen, finde ich schon sehr wichtig.

Bereiten Sie sich vor?

Käßmann: Zum einen habe ich versucht zu regeln, was der Mensch regeln kann, um meine Kinder zu entlasten. Dazu gehören Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht. Ich habe mit meinen Kindern darüber gesprochen, wie ich meine Beerdigung gern hätte und wer sie durchführen soll. Außerdem war mir wichtig, mit meinen Kindern darüber zu sprechen, dass sie froh und dankbar zurückblicken sollen und nicht nur in Trauer versinken müssen.

Ist es sinnvoll, sich Gedanken über das eigene Ende zu machen, weil man dann intensiver lebt?

Käßmann: Ja, das ist schon so. Jemand, der um den eigenen Tod weiß, nimmt bewusster wahr, dass das Leben eine sehr kostbare, geschenkte Zeit ist — und verplempert sie vielleicht weniger.

Sie waren schon ganz direkt mit dem Gedanken an den Tod konfrontiert, als Sie an Krebs litten.

Käßmann: Wenn das allgemeine Wissen über die Sterblichkeit zu einer persönlichen Nachricht wird, die besagt: Dein eigenes Leben ist begrenzt, dann denkst du natürlich besonders intensiv darüber nach, wie du weiterleben willst. Das war bei mir auch so.

Ist der Gedanke an den Tod lieber Menschen schlimmer als der an das eigene Sterben?

Käßmann: Ich denke, dass ein Wort der Dichterin Mascha Kaléko auch für mich gilt. Sie sagt: Den eigenen Tod, den stirbt man nur, den Tod der anderen muss man leben. Das ist sehr wahr. Mit meinem eigenen Tod kann ich umgehen, ich kann mir sagen, dass ich ein gutes Leben hatte und dankbar zurückblicken. Aber liebste Menschen zu verlieren, das tut unendlich weh — und das kann niemand kleinreden. Ich habe mehr Angst vor dem Tod der Menschen, die ich liebe, als vor meinem eigenen.

Für Sie als gläubigen Menschen ist der Tod ja nicht das Ende.

Käßmann: Er ist für mich kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt. Ich bin davon überzeugt, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Die Bibel sagt übrigens gar nicht so viel darüber, was das ist, aber sie sagt: Da werden alle Tränen abgewischt sein und Not, Leid, Geschrei werden ein Ende haben. Das ist die Auferstehungshoffnung, mit der ich lebe.

In der Themenwoche wird es auch eine Kabarettsendung geben. Darf man über den Tod lachen?

Käßmann: Aber ja, ich finde schon, dass wir über den Tod lachen dürfen. Gerade wenn wir Scherze über etwas machen oder ironisch damit umgehen, geben wir ihm ja auch einen Namen.

Kennen Sie einen guten Witz über den Tod?

Käßmann: Im Moment fällt mir leider keiner ein, aber eine wirklich lustige Grabinschrift: ,Hier liegen meine Gebeine. Ich wünschte, es wären deine.’

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