Menge, der knurrige Visionär

Der Drehbuchautor hat ganz früh die Zukunft des Fernsehens erkannt. Nur geglaubt hat ihm das damals keiner.

Berlin. Er war ein knorriger Typ, ein knurriger Mensch und Moderator und einer der kreativsten Köpfe des deutschen Fernsehens: Der Drehbuchautor und Moderator Wolfgang Menge ist am Mittwochmorgen im Alter von 88 Jahren in einem Berliner Krankenhaus gestorben, sagte ein Sprecher der Familie gestern.

Er hinterlässt seine von ihm getrennt lebende Frau Marlies und drei Söhne. Sie wollen ihn im engsten Familienkreis beisetzen.

Das Schicksal seiner Familie hatte ihn zur steten Wachsamkeit erzogen. Zwar überlebte seine Mutter die Nazi-Herrschaft, aber alle ihre Angehörigen wurden ermordet. Nach dem Krieg wurde Menge Journalist, berichtete von 1954 an aus Tokio und Hongkong und schrieb eines der ersten chinesischen Kochbücher für den deutschen Markt.

Als Drehbuchautor wurde er zur Legende. Er schrieb die „Stahlnetz“-Krimis und erdachte den Zollfahnder Kressin — Sieghardt Rupp spielte den „Tatort“-Ermittler, der die Frauen liebte und dem Dienst-Vorschriften egal waren. Mit seinen Fernsehspielen erwies er sich als Visionär. 1970 sah die TV-Nation das beklemmende Spektakel „Millionenspiel“, in dem sich ein Kandidat (Jörg Pleva) von Killern hetzen lässt. Im Überlebensfall bekommt er eine Million Mark.

Damals sah man das als hässliche Utopie, doch die menschenverachtende Sensationsgier ist nicht nur im „Dschungel Camp“ und beim „Frauentausch“ längst TV-Realität. Der Autor ahnte schon damals: „Kandidaten werden sich für alles finden, hunderte.“

Wegweisend war auch „Smog“ von 1973 — der Film dachte mit den Mitteln der Docu-Fiction die Umweltzerstörung konsequent weiter.

Menges größter Erfolg war das immer schlecht gelaunte „Ekel Alfred“ — mit der satirischen Serie „Ein Herz und eine Seele“ hielt er dem deutschen Kleinbürger von 1973 an einen Spiegel vor. Später hätte es Alfred sicher nicht mehr auf den Bildschirm geschafft, sagte Menge 2004, auch Loriot würde heute beim Fernsehen keiner mehr nehmen. Die Quote behindere Kreativität und Risikobereitschaft im Fernsehen: „Überall die gleiche Soße und äußerliche modische Scheiße — nur für die eine muss man Gebühren bezahlen, für die andere nicht.“

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