Adel Tawil: Es geht nur ums Gefühl

Tawil bildet mit Annette Humpe das Duo Ich + Ich, mit „Prison Break“ gelang ihm auch solo eine Nummer Eins. Eine gute Übung, weil er ohne Humpe auf Tour geht. Sie will nicht.

Herr Tawil, verändert Erfolg den Menschen?

Adel Tawil: Ich werde bald 30. Da merke ich schon, dass ich mich verändert habe und öfter an die Zukunft denke. Ich glaube aber, der Erfolg hat meinen Charakter nicht verdorben.

Funktioniert ein Konzert von Ich+Ich auch ohne Humpe?

Tawil: Ja, indem ich ihren Part voll übernehme. Ich habe zwar auch Backgroundsänger dabei, aber das meiste singe ich selbst. Einige unserer Songs sind sehr schwer zu singen, zum Beispiel "Wenn ich tot bin". Da werde ich mich jetzt erstmals heranwagen.

"Vom selben Stern" war einer der Hits des Jahres. Ursprünglich gab es von dem Song 13 Versionen mit unterschiedlichen Tempovarianten. Wann wussten Sie, welche die richtige ist?

Tawil: Eigentlich wollten wir die Nummer beiseite legen, aber der Text hatte es verdient, veröffentlicht zu werden. Deshalb packten wir ihn ganz zum Schluss noch mal an - und trafen voll ins Schwarze. Beim Musikmachen hängt viel vom Zufall ab.

Sie haben auch einen konsumkritischen Song im Repertoire: "Hände weg vom Junk - du hast genug Klamotten im Schrank". Halten Sie sich selbst daran?

Tawil: Ich bin selbst jemand, der sich gerne Sachen kauft, ohne drüber nachzudenken, ob das überhaupt Sinn macht: Das reicht von Handy und Laptop bis zum Fotoapparat und MP3-Player. Der Song hat mich dazu gebracht, mein Verhalten einmal zu überprüfen. Man meint immer, es ginge einem besser, wenn man bestimmte Dinge besitzt. Das stimmt aber gar nicht. Man muss im Leben auch mal innehalten.

Tawil: Meine Vorbilder sind Sänger wie Al Green und Marvin Gaye, aber auch Rockbands wie Nirvana und die Red Hot Chili Peppers. Soul ist, wenn jemand mit Leib und Seele Musik macht. Bei einem Live-Konzert von Bob Dylan ist sicher nicht alles perfekt, aber das Gefühl stimmt.

Mit der Band The Boyz gelangen Ihnen bereits Ende der 90er erste Charterfolge. Warum wurde es danach wieder ruhiger um Sie?

Tawil: Ich war damals 18 und schrieb die meisten unserer Songs selbst. Mir war es aber wichtig, mein Studium abzuschließen. Ich wollte Produzent werden. In dieser Zeit teilte ich mir mit meiner Freundin eine 30 Quadratmeter-Wohnung, und wir lebten hauptsächlich von Nudelsuppe. Seit acht Jahren betreibe ich nun schon mein Tonstudio in Berlin-Reinickendorf und schaue mich nach jungen Talenten um.

Welche besonderen Fähigkeiten müssen Newcomer heutzutage mitbringen?

Tawil: Ein Newcomer sollte vor allem bescheiden sein. Er muss etwas lernen wollen. Wer denkt, er hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen, weil er vielleicht mal an einer Castingshow teilgenommen hat, ist in dem Geschäft fehl am Platz. Ich kann von Annette Humpe auch immer noch jeden Tag etwas lernen.

Was ist das Wichtigste, das Sie von ihr gelernt haben?

Tawil: Ich bewundere ihre Geradlinigkeit. Ich bin eher ein Typ, der gern auch mal etwas schleifen lässt. Von Annette habe ich gelernt, Dinge anzupacken. Außerdem hat sie mir gezeigt, dass es bei der Musik nur ums Gefühl geht.

In der Hip-Hop-Bewegung ist es zurzeit schick, äußerst blasphemisch und brutal in den Texten zu sein. Wie empfinden Sie das?

Tawil: Heute gibt es vor allem beim Hip-Hop dieses Selfmade-Business, bei dem jeder an die ganz große Kohle ran möchte. Das Gangstertum ist eine Facette des Hip-Hop. Diese Musik erzählt aus dem Leben der Kids, das für viele nicht einfach ist. Aber es darf nicht solche Dimensionen annehmen, dass Leute bedroht werden.

Die Berliner Rapper Sido und Bushido sind mit ihrer Musik auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Ist es Ihrer Meinung nach richtig, dass die Politik eingreift?

Tawil: Bei manchen Titeln finde ich das schon richtig. Aber man darf nicht vergessen, dass verbotene Musik einen großen Reiz auf die Kids ausübt. Es gab schon immer Bands und Sänger, die provozieren wollten. Schon vor 20 Jahren machte die 2 Live Crew eindeutig sexuelle Texte. Sie waren die erste Band, die auf einer Veröffentlichung den "Parental-Advisory"-Sticker anbringen mussten.

Sie arbeiten an Ihrem ersten Soloalbum. Wie wird es klingen?

Vor Humpe Adel Salah Mahmoud Eid el Tawil wird am 15. August 1978 als erstes von drei Kindern arabischer Einwanderer geboren. Ende der 90er ist er Mitglied der Boygroup The Boyz, die 1998 mit der Single "One Minute" einen Top-Ten-Erfolg verzeichnen konnten.

Seit Humpe 2004 holt Annette Humpe Tawil für ihr neues Projekt ins Studio. Das erste Album von Ich+Ich wird 2005 ein Überraschungshit, das zweite 2007 eins der meistverkauften des Jahres.

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