BAP-Tourstart in Köln: Niedecken ist "forever young"

Köln. Das selten schöne, beinahe poetische Gitarren-Solo Helmut Krummingas in "Alexandra, nit nur do"? Die Gänsehaut bescherende Wucht des Saxophon-Spiels von Heiner Wiberny zu "Amerika"?

Der fast zärtliche Gesang Niedeckens für "meinen Schutzengel" in "Paar Daach fröher"? Oder doch die strahlenden Gesichter der Fans im restlos ausverkauften Palladium? Der Start der Bap-Tour "Volles Programm" ist reich an großen Momenten. Am wichtigsten ist diese Feststellung: Wolfgang Niedecken ist da - und wie!

Drei Stunden lang rocken er und seine vier Musiker Krumminga, Michael Nass (Keyboard), Werner Kopal (Bass), Jürgen Zöller (Schlagzeug) und Anne de Wolff (Geige) durch den reichhaltigen Song-Katalog der Kölsch-Veteranen, als hätte es diesen Tag im November 2011 nicht gegeben, als Niedecken einen Schlaganfall erlitt. Zwar - um einen Bap-Text zu bemühen - war danach "nix wie bessher", aber der 60-Jährige ist genesen und weiß, wem er unter anderem dafür zu danken hat. Der Gruß an den behandelnden Professor in der Klinik, der das Heimspiel vom Balkon verfolgt, ist eindeutig. Doch Niedecken macht an diesem Abend keine große Sache aus der Krankheit. Ein ärztliches Bulletin zum Auftakt - nach programmatischen Liedern wie "Halv su wild" und "Et Levve ess en Autobahn - mit Staus und Kurven" - und das war's dann auch.

Sei es der Klassiker aus den ersten Jahren oder Songs des jüngsten Albums aus dem vergangenen Jahr: Die Konzertbesucher, die aus dem Lächeln gar nicht mehr rauskommen, sind überraschend textsicher. Als ob Niedecken - aus der Distanz sieht er mit seinem Bart, den fusseligen Haaren und der Schiebermütze wie der junge Springsteen aus - seine Fitness unter Beweis stellen will, setzt er in den ersten 90 Minuten auf kernigen Rock und Up-Tempo-Nummern, um erst in den Zugaben das große Gefühl in herzerweichenden Balladen ("Für 'ne Moment") zuzulassen.

Dass bei aller Freude über die Rückkehr auf die Bühne und der Spaß am gradlinigen Rock'n'Roll die gesellschaftliche Relevanz, die Niedecken und Bap auch immer auszeichnete, an diesem Abend nicht zu kurz kommt, belegt, wie aktuell Niedecken-Songs immer noch sind. Aufstehen, nicht weggucken: "Arsch huh, Zäng ussenander" und "Kristallnaach" sind unmissverständlich, eindringlich und an diesem Abend einfach intensiv gespielt. Die "reguläre" Show - die Band steht schon seit fast 150 Minuten auf der Bühne - schließt er fulminant: "Verdamp lang her". Ein Kraftakt - rasant und ausgelassen. Das Palladium johlt und tobt - und singt weiter, als das Quintett längst abgetreten ist.

Mit einem "Heimatkundeblock" geht er in die Zugaben: Niedecken besingt den "Chlodwig-Platz" und auch den 1. FC Köln ("Woröm dunn ich mir dat eijentlich ahn?"). Zumindest Niedeckens Bap spielen noch in der ersten Liga - und nach diesem Auftakt sicher in der Spitzengruppe. Treffender konnte das letzte Stück nicht gewählt werden: Dylans "Forever young" auf Kölsch. Das passt zu diesem Neuanfang. Niedecken ist wieder da - und wie!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/Saale Liebe und Hass in der Vorstadt
Aus dem Ressort