Boris Blank: Der Klangtüftler auf Solopfaden

Boris Blank vom Elektronik-Duo Yello hat jetzt mit „Electrified“ eine ultimative Solo-Werkschau zusammengestellt.

Boris Blank: Der Klangtüftler auf Solopfaden
Foto: Darius Ramazami

Düsseldorf. Hoch oberhalb der Stadt Zürich befindet sich das Studio des weltweit erfolgreichen Elektronik-Duos Yello, über das Ringo Starr einmal sagte: „They are fucking brillant.“

Im Erdschoss einer herrschaftlichen Villa bastelt Boris Blank aus Elektronikelementen, Samples und Alltagsgeräuschen clubtaugliche Welthits, die „The Race“ oder „Oh Yeah“ heißen. Blank ist 62 und hat nicht nur eine Solo-Werkschau „Electrified“ zusammengestellt, sondern auch eine leicht zu bedienende Musik-App für das iPhone entwickelt.

Herr Blank, die ältesten Stücke auf „Electrified“ stammen aus dem Jahr 1977, noch aus der Zeit vor Yello. Hatten Sie damals schon Ihren eigenen Stil gefunden?
Boris Blank: Ich weiß gar nicht, ob ich selber meinen Stil beschreiben beziehungsweise analysieren kann, weil ich ein Dilettant und kein Musiker bin. Es gibt aber Leute, die meinen, sie könnten nach drei Takten erkennen, ob es sich um ein Stück von Boris Blank handelt. Ich setze die Klänge, Rhythmus- und Bassmuster zusammen wie ein Maler mit Farben umgeht. Ich weiß, dass Kinder gerne diese Musik hören. Als meine Tochter, die jetzt 17 ist, noch in den Kindergarten ging, kamen bei Elternabenden immer Leute auf mich zu und meinten: „Du, Boris, ich steh ja auf Yello, aber mein Junge hört nichts anderes mehr. Ich kann das nicht mehr hören!“ Ich glaube, Kinder nehmen in der Musik von Yello irgendwelche Geräusche und Atmosphären wahr, die sie lustig finden.

In den vergangen 35 Jahren haben Sie mit Yello zwölf Millionen Platten verkauft. Warum bezeichnen Sie sich noch immer als Dilettant?
Blank: Sicher entwickelt sich durch gewisse Wünsche und Sehnsüchte ein Talent weiter, aber ich gehe immer noch mit kindlicher Freude an die Musik heran. Das ist jedes Mal ein wunderschönes Erlebnis für mich. Es wäre sicher anders, wenn ich behaftet wäre mit Kenntnissen über Noten, Partituren und Harmonien. Ich will auch gar kein Musiker im eigentlichen Sinne sein.

Sie haben eine App namens Yellofier entwickelt. Sie gilt als eine der besten Musik-Apps für das iPhone. Was kann sie?
Blank: Diese App kommt ganz nah an meine Beziehung zu Musik heran. Mit ihr kann ich innerhalb von Minuten mit Geräuschen wie dem Quietschen eines vorbeifahrenden Autos Musik machen. Ein Kindergarten in Los Angeles arbeitet mit meiner App anstelle von Flöten oder Pianos. Neulich war ich im Schifffahrtsmuseum in Lissabon, dort gibt es die Kanonen von Vasco da Gama. Mit ihnen und meiner App habe ich spontan ein Musikstück gemacht. Das könnte ich Ihnen jetzt schicken und sie könnten daran weiterarbeiten.

Sie haben sogar die Sample-Technik um Jahrzehnte vorweggenommen. Wie kam es dazu?
Blank: Ja, aber das haben andere auch gemacht. Ich bin heute noch ein unglaublicher Fan von Geräuschen und Räumen. Schon in der Schule klopfte ich auf den Bänken immer den Rhythmus und machte damit den Lehrer sauer. Ich war immer gut mit den Händen. Darauf bekam ich eine Strafarbeit aufgebrummt: „Blank, du schreibst bis morgen eine Strafarbeit zum Thema Klopfzeichen: Verständigungsmittel der Primitiven.“ Und dann habe ich in diesem Aufsatz über nichts anderes geschrieben.

Wie fand Ihr Lehrer den Aufsatz?
Blank: Ich war so dankbar, endlich jemanden gefunden zu haben, der die Klopfzeichen versteht. Mein Lehrer war so fasziniert von dem Aufsatz, dass ich ihn vor der ganzen Klasse vorlesen musste.

Wann begannen Sie sich für elektronische Musik zu interessieren?
Blank: Darauf gebracht hatte mich Herbie Hancock. Er fing schon früh in den 1970er Jahren an, Elektronik in seine Musik einzubauen. Dieser Synthesizer hieß Arp Odyssey. Diese scheinbar kühle Elektronik zusammen mit den Jazz-Mustern faszinierte mich. Darauf nahm ich einen Kredit auf und kaufte mir auch solch einen Synthesizer.

Was fasziniert Sie generell an elektronischer Musik?
Blank: Der Klang, die Handhabung, die Architektur, die Möglichkeiten eines Sequenzers, mit dem ich Melodien und Noten verändern kann. Nach 35 Jahren konnte ich so viele Erfahrungswerte sammeln, dass ich weiß, welche Maschinen mir dienen und welche nicht. Ich merke das sehr schnell.

Sie legten bei Ihrer Musik stets großen Wert auf kleinste Details. Gilt das auch heute noch?
Blank: Das ist ein Markenzeichen meiner DNA. Oftmals komme ich bebend mit den Gedanken an ein Bild ins Studio. Das kann ein Licht oder eine Landschaft sein. Und dann bleibe ich so lange, bis ich ein fertiges Klanggebilde habe. Aber erst dann fängt die Arbeit für mich an, die ich nicht gerne mache, weil es eine administrative ist. Nämlich die Eliminierung von Bässen, um eine gewisse Transparenz zu bekommen. Ich möchte, dass jeder in diese Soundgebilde hereintreten und hören kann, welche Klänge von wo kommen. Und unten wabern die Hosen von den extrem tiefen Bässen. Man sagt, ich sei ein Perfektionist.

Der angeblich beste DJ der Welt Carl Cox hält Ihre Klänge für mehr als nur Musik. Wie sehen Sie es selbst?
Blank: Ich bin eher ein Stimmungsmacher als ein wirklicher Musiker. Ich liebe die Atmosphären und die Bilder.

Dieter Meier, der zweite Teil von Yello, würde gerne öfter auftreten. Warum möchten Sie das nicht?
Blank: Dieser Kampf ist nicht mehr akut, weil Dieter in diesem Jahr seine Soloprojekte realisiert und sich endlich seinen Wunsch erfüllt hat, auf die Bühne zu gehen. Seine Band hat nichts mit Yello zu tun. Es ist gut, dass wir jetzt auch mal auf Solopfaden wandeln. Im nächsten Jahr kehren wir mit der neuen Yello-Platte wieder auf die Hauptstraße zurück. Live-Auftritte im herkömmlichen Sinn sind für mich undenkbar. Ich hätte keine Lust, mich hinter diese Berge von Computern und Synthesizern zu stellen. Allenfalls würde man meine Frisur sehen und ich würde mit dem Kopf wackeln.

Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Computer und Geist, zwischen Gehirn und Seele?
Blank: Ich glaube, dass man diese Oszillatoren und Filter beseelen und ihnen einen menschlichen Klang entlocken kann. Der Mann, der den Computer erfunden hat, besaß ja auch eine Seele.

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