Bruce Springsteen: Wut im Bauch

Paris (dpa) - Dampf abzulassen, kann eine wunderbare Wirkung haben. Bei Bruce Springsteen hat das zu einer Eruption geführt, die „Wrecking Ball“ heißt. In seinem neuen Album singt die Rocklegende gegen die korrumpierte Finanzwelt und die geldgierigen Wall-Street-Banker an.

„Das Album ist nach dem Finanzkrach von 2008 entstanden. Die Leute haben ihr Hab und Gut verloren. Keiner wollte dafür verantwortlich sein. Keiner wollte dagegen lauthals protestieren“, sagte der US-Musiker kürzlich bei einem Interviewtermin in Paris.

Der 62-Jährige hatte die Seine-Stadt auserkoren, um sein neues Album vor einer Schar internationaler Journalisten vorzustellen. Zu Gehör bekamen die Medienvertreter empathische und eingängige Melodien wie einst sein „Born In The USA“. Diesmal jedoch sind seine neuen Hymnen auf die Lage der amerikanischen Nation inhaltlich düsterer als sonst und musikalisch experimentierfreudiger. Dem Rock'n'Roll habe es noch nie geschadet, wenn der Musiker „pissed off“ gewesen sei, erklärte Springsteen. Wut im Bauch hat nicht nur schlechte Folgen.

Allein der Titel des Albums sagt aus, wie wütend er auf sein Amerika war: „Wrecking Ball“, auf Deutsch Abrissbirne. Gemeint ist diese schwere Stahlmasse, die an einem Seilbagger hängt und so lange zum Pendeln gebracht wird, bis sie mit Schwung ganze Gebäude zum Einsturz bringt. In diesem Fall: Amerika.

Starke Themen und Charaktere ziehen sich durch sein Album. In „Jack Of All Trades“ beißt sich der Erzähler durch harte und ungerechte Zeiten: „Nägel hämmern, Steine verlegen und dennoch wird der Arbeiter immer dünner, während der Banker immer dicker wird“. Noch deutlicher wird seine Anklage gegen die zunehmende soziale Ungleichheit und die Geldgier der Finanzhaie in „Shackled And Drawn“: „Der Spieler wirft den Würfel, der Arbeiter bezahlt die Rechnung/Auf dem Bankerhügel lebt es sich noch immer in Saus und Braus/ Auf dem Bankerhügel geht die Party weiter“.

Es wurde viel Geheimnis um Springsteens neues 17. Studioalbum gemacht. Dabei waren einige der Songs so neu nicht mehr. Der Opener des Albums „We Take Care Of Our Own“ wurde ausgekoppelt und ist inzwischen zum Protest-Song der Occupy-Bewegung geworden. Auch der Titeltrack „Wrecking Ball“ und „Land Of Hope And Dream“ sind ebenfalls alte Bekannte.

Die anklagenden Texte gehen Hand in Hand mit teilweise ganz neuen Klängen, die man dem Musiker gar nicht zugetraut hätte. So klingen einige seiner Songs ziemlich neu. Schlagzeug und Fidel dringen durch, Gospel-Chöre flirten mit Loops, Elektronik und Hip-Hop-Einlagen. Das Album ist das erste seit dem Tod des Saxofonisten Clarence Clemons im vergangenen Jahr, des langjährigen Mitglieds von Springsteens E-Street-Band. Seinen Keyboarder der letzten 40 Jahre, Danny Federici, hatte der „Boss“ 2008 verloren.

Springsteen wollte eigentlich ein Folk-Album machen, nur sein Gesang und seine Gitarre. Doch dann kam Produzent Ron Aniello und bearbeitete mit ihm zusammen seine Protest-Balladen. „Er zeigte mir sein riesiges Spektrum an Sounds und Klängen, das es mir erlaubte, herumzuexperimentieren. Es gab kein vorgegebenes Set-up an Instrumenten, die bespielt werden mussten. Ich konnte gehen, wohin ich wollte, machen, was immer ich wollte. Es war sehr offen“, erklärte der US-Rocker.

Das Ergebnis seines Experiments: ein Mix aus typischen Springsteen-Midtempo-Hymnen und überraschenden Sounds mit einer ganz neuen Poesie. Damit kommt er demnächst auch nach Deutschland. Auf seiner internationalen „Wrecking Ball“-Tournee macht der Boss im Frühjahr in Frankfurt/Main (25. Mai), Köln (27. Mai) und Berlin (30. Mai) Halt.

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