Castorfs „Walküre“ diesmal mit zwei Truthähnen

Bayreuth (dpa) - Draußen tobt ein Unwetter, im Festspielhaus ein Jubelsturm: Das Bayreuther Publikum hat Sänger und den Dirigenten Kirill Petrenko am Montagabend frenetisch gefeiert - mit Bravo-Rufen, Trampeln und begeistertem Applaus.

Castorfs „Walküre“ diesmal mit zwei Truthähnen
Foto: dpa

Vielleicht sind sogar Standing Ovations dabei. Aber wen es vor Begeisterung nicht mehr auf seinem unbequemem Platz hält und wer bei strömendem Regen einfach nur auf einen guten Platz in der heiß umkämpften Taxi-Schlange auf dem Grünen Hügel hofft und schnell raus will, das lässt sich nicht zweifelsfrei auseinanderdividieren.

Zweifelsfrei ist die Begeisterung trotzdem. Schon nach dem ersten Akt und der Highlight-Arie „Winterstürme wichen dem Wonnemond“ müssen Johan Botha und Anja Kampe als Liebes- und Geschwisterpaar Siegmund und Sieglinde sich immer wieder dem Publikum zeigen.

Tosenden Applaus gibt es auch für Wotan (Wolfgang Koch) und Brünnhilde (Catherine Foster). Im vergangenen Jahr war Foster nach dem zweiten Akt noch von einigen Zuschauern ausgebuht worden, in diesem Jahr von Ablehnung keine Spur. Wieder aber war es Dirigent Petrenko, der sogar die derart gefeierten Sänger in der Publikumsgunst noch einmal in den Schatten stellte.

Waren nach dem knallbunten, in einem Motel angesiedelten „Rheingold“ noch einige Buhs zu hören, sind derartige Unmutsbekundungen nach der deutlich zurückhaltender inszenierten „Walküre“ Fehlanzeige. Allerdings zeigt Regisseur Frank Castorf sich auch erst ganz zum Schluss selbst auf der Bühne, am Freitagabend nach der „Götterdämmerung“, dem vierten Teil von Richard Wagners Vierteiler „Der Ring des Nibelungen“. Was er dann zu erwarten hat, darauf geben bislang nur die teils immer noch wütenden Kommentare eingefleischter Wagnerianer einen Vorgeschmack. „Sowas macht man nicht in Bayreuth, das macht man einfach nicht.“

Viel geändert hat Castorf - wie im „Rheingold“ - in seinem zweiten Bayreuther Jahr auch an der „Walküre“ nicht - bis auf die Besetzung der Statisten. Reichte ihm 2013 noch ein Truthahn in einem Käfig, um den Sieglinde sich kümmert, sind es passend zum zweiten Jahr zwei.

Was genau die Federtiere auf der Bühne zu suchen haben - darauf gibt seine Inszenierung wie auf so vieles keine Antwort. Castorfs „Walküre“ ist in der Ölförderung in Aserbaidschan angesiedelt. Schließlich ist seine Grundidee nach eigenen Angaben das Öl als Gold unserer Zeit. Ein Ölbohrer wird als bedrohliches, überdimensionales Insekt mit leuchtenden Augen und einer roten Fahne im Maul inszeniert.

Beim auf der Castorfschen Drehbühne mit einem schäbigen Förderturm erstaunlich statisch geratenen Walkürenritt trampeln Brünnhildes Freundinnen rücksichtslos auf jungen Männern, wohl Arbeitern in der Ölförderung, herum, deren Gesichter im qualvollen Todeskampf verzerrt sind. Auf der großen, weißen Leinwand laufen Bilder aus der Ölförderung längst vergangener Zeiten ab.

Zu einem gelungenen Konzept aber fügen sich diese Versatzstücke auch 2014 nicht zusammen. Sowohl ästhetisch als auch erzählerisch fehlt der Bezug zu Teil eins. Dass Brünnhilde sich vor der väterlichen Standpauke Mut antrinkt und erst einmal einen Schnaps kippt, ist sicher ganz lustig. Dass Wotan ihr dann nach der brutalen Verstoßung einen ans inzestuöse grenzenden Kuss gibt, gibt dagegen Rätsel auf.

Nach einer Spielpause am Dienstag folgt am Mittwoch Teil drei des „Rings“. Zum „Siegfried“ wird dann auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet, die den „Ring“ im vergangenen Jahr nicht ganz geschafft hat.

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