Cellistin Sol Gabetta: „Es geht nicht um schöne Haare“

Früher wollte Sol Gabetta ihrem großen Bruder zeigen, was sie kann. Heute ist die 31-Jährige Europas bekannteste Cellistin.

Düsseldorf. Mit acht Jahren gewann sie ihren ersten Cello-Wettbewerb, heute ist Sol Gabetta berühmt und preisgekrönt. Die 31-Jährige unterrichtet Talente, moderiert und steht im Oktober in Düsseldorf auf der Bühne.

Frau Gabetta, wie sind Sie zum Cello gekommen?

Sol Gabetta: Es war Schicksal. Ich habe als Kind Geige gespielt. Aber mein großer Bruder war viel besser, weil er schon länger spielte. Das hat mich geärgert. (lacht) Ich wollte gegen ihn kämpfen und mit einem größeren Instrument zeigen, was ich kann. Ich bin zwar klein, aber meine Hände sind groß.

Was ist am Cello so besonders?

Gabetta: Der Celloklang ist toll. Er ermüdet niemanden, weil das Instrument alle Lagen ausfüllen kann. Das ist das größte Potenzial des Instruments.

Wollten Sie als Kind denn schon Musikerin werden?

Gabetta: Ich habe immer mit der Musik gelebt. Mein Glück war, dass ich Eltern habe, die extra von Argentinien zurück nach Europa gezogen sind, damit ich Chancen auf eine bessere Ausbildung hatte. In Europa ist die Kultur geboren, mit Bach und Brahms. Es ist wichtig, hierher zu kommen.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Konzert in Deutschland?

Gabetta: Als ich vor 13 Jahren erstmals in Deutschland auf einer Bühne stand, war es ein Wunder zu sehen, dass die Säle voll sind. Ich habe immer davon geträumt, einen Platz in der Musikwelt zu finden. In Deutschland und Mitteleuropa wird klassische Musik noch unterstützt. Mein Glück war, eine Plattenfirma zu finden.

Warum sind Sie so erfolgreich?

Gabetta: Der Unterschied zwischen einem normalen und einem sehr guten Musiker ist die Persönlichkeit. Wir haben nur die Töne und müssen ihnen die Magie verleihen. Ich bin die Brücke zwischen der Musik und der Realität, dem Publikum. Große Kunst ist es, eine Persönlichkeit zu haben, die zu der Zeit passt — und das geschickt einzusetzen. Piazzola kam beispielsweise nach Europa, und das hat seine Tangostücke berühmt gemacht. Dabei gibt es viele andere geniale Tangokomponisten, die einfach niemand kennt.

Hilft Ihnen auch Ihr Aussehen?

Gabetta: Ja, auch das Plakative gehört dazu. Aber es geht nicht um schöne Haare und ein tolles Kleid. Das sieht mein Publikum in den ersten zwei Minuten, danach berührt die Leute meine Seele, die ich in die Musik bringe. Denn wenn die Persönlichkeit nicht zu spüren ist, vergeht die Schönheit sehr schnell.

Also kann nicht jeder ein Star sein?

Gabetta: Es gibt viele Faktoren, die helfen, berühmt zu sein. Talent ist dabei nicht alles. Ich unterrichte sehr viele tolle Studenten, aber man muss auch von der Kunst leben können. Außerdem hat nicht jeder die Kraft, um jeden Abend auf einer Bühne zu stehen. Man hat kein Privatleben, man muss jeden Tag üben, hat sehr viel Stress.

Was ist die wichtigste Stütze dabei für Sie?

Gabetta: Man muss eine Basis haben. Das ist meine Familie. Man muss wissen, wer man ist. Es ist wichtig, dass man sich selbst achtet und liebt, aber nicht zu viel.

Und Ihr Partner, ebenfalls ein Cellist, hilft Ihnen sicher auch?

Gabetta: Ja, und das, obwohl ich nie da bin, vielmehr ständig unterwegs bin. Er ist auch Musiker und Manager und erlebt seit acht Jahren alle Emotionen mit mir. Er will aber kein Star auf der Bühne sein, das ist mein Glück. Auch heute noch können viele Männer nicht damit umgehen, wenn die Frau Erfolg hat.

Sie moderieren, unterrichten und geben Konzerte. Wie schaffen Sie das?

Gabetta: Ich habe Energie für fünf Stiere, deshalb kann ich soviel machen. (lacht) In meiner Vorstellung entsteht etwas, und das muss ich dann auch umsetzen. Aber ich weiß auch, dass das nicht immer so sein wird. Irgendwann werde ich meine Ruhe genießen.

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