Die Fantastischen Vier: Revolutionäre auf Rekordkurs

Nach 25 Jahren schaffen es Smudo, Thomas D., DJ Hausmarke und And.Ypsilon immer noch, ihren Hören die ewige Jugend vorzugaukeln — und das jetzt wieder mit neuem Album.

Die Fantastischen Vier: Revolutionäre auf Rekordkurs
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Düsseldorf. Ein Männerfalsett im Refrain. Ein Beat zwischen Disco und Hip-Hop — und plötzlich ist man mal wieder mitten drin im Teenagersommer, in dem nichts sein musste, aber alles möglich war. Da gab es diese Tage am Meer — oder manchmal auch nur am Baggersee — mit dem Mädchen namens „Die da“, in das man sich Hals über Kopf verknallte. Und am Ende, als die Musik am lautesten dröhnte, war man dann zu geil für diese Welt. Fantastisch fühlte sich das an.

Und apropos „fantastisch“: Es ist erstaunlich, dass es die Fantastischen Vier auch nach 25 Jahren und mit jetzt neun Alben auf dem Buckel immer noch schaffen, dem Hörer vor allem eines vorzugaukeln: die ewige Jugend.

Der einzige Unterschied: Früher hatten sie alle XXXXL-Klamotten an mit Hosen, die an den Kniekehlen auf halb acht hingen. Heute dagegen sind Smudo (Michael Bernd Schmidt), Thomas D. (Dürr), DJ Hausmarke (Michael Beck) und And.Ypsilon (Andreas Rieke) allesamt Mittvierziger im entsprechenden Mittvierziger-Casual-Look.

Sie wissen, wie man noch sportlich und agil aussehen kann, ohne gleich aus dem Rahmen des guten Geschmacks zu fallen und wie ein Haufen Spätpubertierender rüberzukommen. Das Ausgeflippte, das sparen sie sich nach wie vor für ihre Platten und Konzerte auf.

„25 Years. Die Legende ist hier“ legen sie auf der neuen Platte „Rekord“ los, die es seit gestern zu kaufen gibt. Im Falsett eben. Und mit ordentlich Rhythmus unter der wie ein Befehl daherkommenden Zeile: „Vergiss‘, dass es irgendwann mal aufhört.“ Nein. Eine Welt ohne die Fanta 4 kann man sich auch im Jubiläums- und Rekordjahr nicht vorstellen.

Dazu haben diese vier Stuttgarter die Musik hierzulande viel zu sehr geprägt. Anfang der 90er, in einer Zeit, in der Nirvana als die bislang letzten den Rock auf links drehten, als Metallica Gitarrenriff-Orgien in die Stadien hievten und als in den Charts Belanglos-Pop im Stile von Snap oder Culture Beat dudelte, da lösten die Fantastischen Vier plötzlich eine kleine Revolution aus.

Sie rappten auf Deutsch. Man muss das noch einmal betonen: Sie waren Weiße aus gutbürgerlichen Verhältnissen und machten diese tief im kollektiven Bewusstsein der meist armen, afroamerikanischen Bevölkerung der USA verwurzelte Musik mit deutschen Texten. Das hätte ganz schön in die Hose gehen können.

Tat es aber nicht: Mit „Vier gewinnt“ (1992), „Die 4. Dimension“ (1993) und mit „Lauschgift“ (1995) entwickelten sich die Fantastischen Vier nicht nur immer weiter — weg von den XXXX-Klamotten-Typen, hin zu seriösen Künstlern. Sie initiierten ganz nebenbei auch noch den deutschsprachigen Hip-Hop und wurden zu denen, die die Fußstapfen zum Reintreten für Fettes Brot, Fünf Sterne Deluxe oder Beginner in den Boden traten.

Mittlerweile gehören die Fantastischen Vier zur deutschen Geschichte wie Goethe, Fritz Walter und Helmut Kohl und haben alles durch: Sie synchronisierten Kinderfilme („Madagascar“).Sie machten Ende der 90er als Megavier Crossover-Metal. Sie gewannen Preise.

Und sie walzten zuletzt sogar das größte Rockfestival des Landes, Rock am Ring, mit Hip Hop platt, als sie zu AC/DCs „Thunderstruck“-Gewaltriff „Fan-ta!“ schrien und wie Gladiatoren die Bühne vor 90 000 Fans betraten. Selbst die Burschen im Metallica- und Iron-Maiden-Pullover konnten jede Fanta-Zeile mitsingen. Auch deshalb also: „Rekord“. Als Beweis, dass sie es immer noch drauf haben und dass sie immer noch relevant sind als Musikdinos zwischen Küken wie Kraftklub, Silbermond und Juli.

Musikalisch ist diese neue Platte vielleicht vorhersehbar geworden. Aber sie ist nicht belanglos. Im Gegenteil: Songs wie „25“, das an die großen Beastie Boys angelehnte Titelstück oder der düstere Techno-Verschnitt „Wie geliebt“ klingen taufrisch und nach Lust auf ein weiteres Vierteljahrhundert.

Gewohnt sarkastisch nehmen die Fantastischen Vier Mainstream, Multimedia und Machtstreben aufs Korn — und sind dabei vorlaut wie Teenager. Am Ende rocken sie sogar zu „Das Spiel ist aus!“ Dabei ist es gar nicht aus. Die zweite Halbzeit ist doch gerade erst angepfiffen. Und die Fantas führen schon deutlich.

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