Die Toten Hosen präsentieren neues Album live

Köln (dpa) - Der junge Mann sieht mitgenommen aus, ist aber allerbester Laune, obwohl seine Hose auf ganzer Länge zerrissen ist. „Mein Handy ist zertrampelt, meine Hose zerfetzt - aber das war es wert“, ruft er in der Nacht zum Freitag vor dem Gloria in Köln.

Gerade haben die Toten Hosen ihr neues Album „Ballast der Republik“ erstmals live präsentiert.

Verkehrte Musikwelt: Während die Kölsch-Rocker von BAP am gleichen Abend ihre neue Tournee im niedersächsischen Worpswede starten, sind die Düsseldorfer für ihren neuen Coup ausgerechnet in die Domstadt gezogen. Sollte nach dem Ende der Dauerfehde mit den „Ärzten“ nun auch die über Jahrzehnte gepflegte Feindschaft zu den Kölnern beerdigt werden?

So weit ist es mit den Toten Hosen dann doch nicht, obwohl Campino die „Endphase“ ausgerufen hat. Gezielte Spitzen fliegen gegen den Stadtnachbarn, drohen doch laut Campino die „härtesten Tage seit der Schlacht von Worringen 1288“, dem vermuteten Beginn der historischen Städtefeindschaft: Eine Fußballschlacht um Auf- und Abstieg zwischen dem 1. FC Köln und Fortuna Düsseldorf.

Geht das überhaupt, „Stagediving“ mit fast 50 Jahren vom Bühnenrand ins Publikum? Spagatsprung? Zwei Stunden gegen die höllenlauten Gitarren ins Mikro schreien, obwohl am Morgen noch die Stimme weg war? „Mit ein paar Cortison-Spritzen“ kein Problem, sagt Campino, dessen Energieleistung längst unheimlich anmutet, hatten ihn Mediziner nach ausgiebigen Drogen-Exzessen doch schon vor langer Zeit fast abgeschrieben.

Vor 30 Jahren, als Helmut Kohl 1982 in Bonn Kanzler wurde und hinter dem Eisernen Vorhang Erich Honecker die DDR regierte, trat die Düsseldorfer Band zum ersten Mal auf die Bühne. Handys konnten damals noch lange nicht zertrampelt werden.

30 Jahre später gleicht der Auftritt dem eines Fußball-Traditionsvereins: Ein Fahnenmeer, geschwenkt vom treuen Publikum, in Hosen-Trikots gekleidet, das altbekannte Hymnen intoniert. Doch im Gegensatz zum Fußballgeschäft sind die Spieler auf der Bühne immer noch die gleichen, nur der Schlagzeuger hat gewechselt.

Vom neuen Album-Cover blickt Konrad Adenauer und im Titellied „Ballast der Republik“ weht der Mantel der Geschichte. Den großen Bogen spannt das Bonus-Album „Geister, die wir riefen“ mit Cover-Versionen als Abriss jüngerer deutscher Musikgeschichte. Vom Moorsoldaten-Lied der KZ-Häftlinge, der Verbeugung vor den Liedermachern Hannes Wader und Rio Reiser bis zu den Musikpionieren Abwärts und Kraftwerk. Das Album wäre ein würdiger Abschied.

Doch seit Wochen betreiben die Hosen bienenfleißig Basisarbeit, sind unterwegs auf einer Undercover-Tournee durch Wohnzimmer und Wohngemeinschaften der Republik. Die großen Festivals werden folgen. Die unverwüstliche Band-Maschine läuft auf Hochtouren. Die ein oder andere Stoff-Hose wird dabei noch auf der Strecke bleiben.

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