Ein kraftvolles Stück Rock: Pearl Jam sind wieder da

Das neue Album von Pearl Jam, „Lightning Bolt“, war keine leichte Geburt. Herausgekommen ist ein Mix, der auch leise Balladen bietet. Da bleibt kein Auge trocken.

Düsseldorf. Viereinhalb Jahre Pause zwischen zwei Alben sind für Fans eine gefühlte Ewigkeit. So lange hatten sich Pearl Jam zuvor nie Zeit gelassen. In ihrer über 20-jährigen Laufbahn, die sie einst neben Bands wie Nirvana und Soundgarden in Seattle startete, veröffentlichten die Grunge-Dinos bis jetzt neun Platten.

Das am Freotag erschienene „Lightning Bolt“ ist das zehnte Werk, ein kleines Jubiläum des Quintetts aus Sänger Eddie Vedder, Gitarrist Mike McCready, Bassist Jeff Ament, Schlagzeuger Matt Cameron und Gitarrist Stone Gossard.

Es war keine leichte Geburt, wie McCready dem Magazin „Total Guitar“ kürzlich verriet. „Wir hatten schon vor zwei Jahren angefangen und sieben Songs fertiggestellt. Doch wir mussten uns einfach mehr Zeit lassen um herauszufinden, was wir genau wollten.“

Anfang 2013 traf sich die Band erneut mit ihrem Stammproduzenten Brendan O’Brien. Der Mann mit dem Spitznamen „Mr. Grunge“ hatte einst schon Pearl-Jam-Klassiker wie „Vs.“ (1993) oder „Vitalogy“ (1994) mit verantwortet und gilt spätestens seit seiner Rückkehr als Produzent des letzten Albums „Backspacer“ (2009) als inoffizielles Bandmitglied.

Keiner kennt Pearl Jam so gut wie er, und keiner weiß die eigensinnige Band so gekonnt zu lenken. Doch gerade Sänger Eddie Vedder, der sich früher jeglichem Star-Dasein notorisch verweigerte, hat laut O’Brian in den vergangenen 20 Jahren die größte Veränderung durchgemacht. Er habe seine Rolle akzeptiert und scheine endlich geerdet zu sein. Schöne wie schlechte Erlebnisse der zurückliegenden Zeit, beruflicher wie privater Natur, mögen den Sinneswandel im damaligen Enfant terrible Eddie Vedder angestoßen haben.

Zum einen war da die von Kritikern und Fans hoch gelobte Soloarbeit: der melancholische Folkrock-Soundtrack zu Sean Penns Abenteuertragödie „Into the Wild“ (2007) und die minimalistischen Liebeslieder von „Ukulele Songs“ (2011). Außerdem hat er 2010 endlich seine langjährige Freundin Jill McCormick geheiratet, mit der er bereits zwei Töchter hat.

Zum anderen zog der leidenschaftliche Surfer sich Anfang 2012 eine so ernste Rückenverletzung zu, dass er seine Solotour durch die USA absagen musste. Zu allem Übel blieb ein Nervenleiden im rechten Arm. „Ich wusste nicht, ob ich wieder Gitarre spielen könnte“, sagte Vedder in einem Interview mit dem „Rolling Stone“. „Ich konnte mir schon vorstellen, mit Mike oder Stone zusammenzusitzen und Akkorde zu rufen: ,Nein, wechsel zu h-moll, wechsel zu h-moll-7!’“

Als Bandleader gibt Vedder auf „Lightning Bolt“ erneut nicht nur den Ton an. Auch alle Texte stammen wie gewohnt aus seiner Feder — Gedanken, die zunächst vielleicht etwas niedergeschlagen klingen. Vedder betont dennoch ihren positiven Gehalt. „Es heißt, man soll über seine Erfahrungen schreiben. Und ich glaube, das sollten wir alle wissen: Dass wir leben, während wir leben. Leben, bis wir sterben. Und uns über das Ende bewusst sind. Mit dieser Einstellung würden wir das Leben mehr zu schätzen lernen.“

Aufgenommen wurde das Werk schließlich im Studio Henson Recording in Los Angeles, den alten A&M Studios. O’Brien wählte die Location, weil er auf „Lightning Bolt“ den Vibe des Benefit-Songs „We Are The World“ einfangen wollte. Michael Jackson und Lionel Richie nahmen mit ihrer Supergroup USA for Africa ebenso hier auf wie einst John Lennon sein Retroalbum „Rock & Roll“. Herausgekommen ist ein Mix aus zwölf Stücken zwischen lautem Rock und leisen Balladen — da bleibt kein Auge trocken.

Nun darf man sogar hoffen, dass es bis zum nächsten Album nicht mehr so lange wie zuletzt dauern wird. „Wenn man zwischen zwei Platten länger braucht, legt man vielleicht mehr Bedeutung hinein“, grübelte Vedder bereits. „Möglicherweise macht man dann die nächste Platte direkt ein Jahr später — einfach rausbringen und vorher nicht alles so anstauen.“ Die Fans würden nicht nein sagen.

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