Musik Gesang als Gesamtkunstwerk

Anlässlich des 100. Geburtstags der Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf erscheint eine CD-Edition ihrer berühmtesten Aufnahmen.

Sängerin und Gesangspädagogin Elisabeth Schwarzkopf.

Sängerin und Gesangspädagogin Elisabeth Schwarzkopf.

Foto: A9999 DB

Düsseldorf. Auf einigen Plattencovers sieht sie aus wie ein Filmstar, die deutsche Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf (1915-2006). Hinter dem damenhaften Glamour der 50er und 60erJahre verbirgt sich eine ungemein ernsthafte Künstlerin, die mit harter Arbeit dem musikalischen Perfektionismus frönte.

Die gebürtige Ostpreußin setzte in der Nachkriegszeit neue Maßstäbe im Kunstgesang. Edles Stimmmaterial und hohe Musikalität verbanden sich bei ihr mit jenem ungeheuren Fleiß, der im Kollegenkreis bereits berüchtigt war. Ab den 50er Jahren war die Sängerin mit einem der mächtigsten Schallplattenproduzenten der Welt verheiratet: Walter Legge. Auch er, der Klassikchef der Londoner EMI, war bekannt dafür, sich nur mit Höchstleistungen zufriedenzugeben. Legge und Schwarzkopf bildeten mithin ein perfektes, wenn auch nicht gerade anheimelndes Paar.

Ihr Mann wollte sie zur größten Sängerin des Jahrhunderts machen

Den Firmen-Slogan „His Master‘s Voice“ soll die Schwarzkopf mal spielerisch in „Her Master‘s Voice“ abgewandelt haben. Gemeint war eine künstlerische Hörigkeit gegenüber ihrem Mann, der es sich zu seiner Aufgabe gemacht hat, die zehn Jahre jüngere Gattin zur bedeutendsten Sängerin des 20. Jahrhunderts zu formen. Dass dies in den Augen und Ohren vieler Musikliebhaber auch gelang, mag teilweise an Legges Lektionen in den Londoner Aufnahmestudios gelegen haben. Doch ohne das große Talent seiner Frau hätte der Musikproduzent ja auch nicht viel ausrichten können.

Schwarzkopfs enorme Ausdrucksstärke basierte auf der Fähigkeit, sich in die spezifischen Stimmungen von Liedern oder Opernszenen tief hineinzudenken. Sie machte geradezu eine Wissenschaft daraus, jeder Liedatmosphäre eine eigene Klangfarbe zu verleihen. Für dieses nicht nur intellektuell, sondern auch gesangstechnisch äußerst schwierige Unterfangen trainierte die Sängerin unermüdlich. Was dabei herauskam, begeisterte die Musikwelt, jedenfalls einen großen Teil von ihr. Freunde des natürlich strömenden Klangs zeigen sich vom Artifiziellen dieses Gesangs wiederum etwas irritiert.

Ein hoher Grad an Künstlichkeit lässt sich auch gar nicht verleugnen. Doch es geht eine starke Faszination von den Darbietungen aus. Hugo Wolfs Goethe-Vertonung „So lasst mich scheinen“ (Mignon III) ist ein typisches Beispiel für Schwarzkopfs Feilen am Detail. Wenn die sterbende Mignon zu den „himmlischen Gestalten“ fleht: „Macht mich auf ewig wieder jung“, lässt sie das Wort „jung“ kurz hell aufleuchten, um es dann in ein Pianissimo-Nirwana entschwinden zu lassen. Dergleichen ist in der Welt der Gesangskunst bis heute einzigartig geblieben.

Auf der anderen Seite konnte Elisabeth Schwarzkopf auch das etwas leichtere Genre bedienen und als Operettendiva glamourös in Erscheinung treten. Dies tat sie aber nur im Platten- oder gelegentlich auch im Fernsehstudio, nicht aber auf der Bühne. Die CD mit Arien von Lehár, Millöcker und anderen Operetten-Komponisten präsentiert dem Hörer eine raffinierte Verführerin. Diese Rollen entsprachen zwar kaum der privaten Elisabeth Schwarzkopf, die sich selbst einmal als „prüde“ bezeichnet hat, doch zeigt es einmal mehr ihre enorme Verwandlungskunst. Und das Fünkchen Distanz und Ironie gibt der Sache zusätzlichen Witz.

Die neuen CDs zeigen die ganze Bandbreite ihres Könnens

Die Geburtstagsedition „Complete Recitals 1952-1974“ bildet die ganze Breite von Schwarzkopfs Repertoire ab. Alle Alben sind auf Basis der originalen Analogbänder aufs Feinste digitalisiert. Die Tontechniker haben das Rauschen der älteren Bänder bewusst nicht zu stark unterdrückt, um die Substanz nicht zu beschneiden. Dadurch wirkt der Klang jetzt präsenter als bei früheren Überspielungen. Auch dem Auge wird etwas geboten, denn jede CD steckt in einer Papphülle mit dem Cover der Erstveröffentlichung. Da kann man also auch visuell im alten Glanz der Schallplattengeschichte schwelgen.

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