Glass-Oper über Schattenseiten Walt Disneys

Madrid (dpa) - Dieser Walt Disney ist nichts für Kinder. Mickey Mouse und Donald Duck kommen in der Oper über den Erfinder der berühmten Zeichentrickfiguren gar nicht erst vor.

Das Werk „The Perfect American“ des US-Komponisten Philip Glass, das an diesem Dienstag (22. Januar) in Madrid seine Weltpremiere hat, befasst sich vielmehr mit der Person Disneys und deren finsteren Seiten. Die Handlung der Oper spielt in den letzten drei Monaten vor dem Tod des Gründers der Traumfabrik. Disney war 1966 im Alter von 65 Jahren an Lungenkrebs gestorben.

Glass komponierte „The Perfect American“ für das Madrider Opernhaus Teatro Real und die English National Opera in London. Die Oper dürfte ziemlich umstritten sein. Vor allem die Verantwortlichen des Disney-Konzerns werden über das Werk nicht erfreut sein. Die Oper basiert nämlich auf dem Roman „Der König von Amerika“, in dem Peter Stephan Jungk den Begründer der Traumfabrik als einen ziemlich unsympathischen Gesellen darstellt.

Der österreichisch-amerikanische Autor beschreibt Walt Disney als einen Egozentriker, Frauenhasser und Rassisten. Dem Roman zufolge habe Disney seine Zeichner zur Arbeit angetrieben, aber selbst keinen Strich zu den Figuren beigetragen, die ihn berühmt machten. „Es ist logisch, dass der Disney-Konzern misstrauisch ist, denn Jungk geht mit der Figur des Gründers sehr hart ins Gericht“, sagte der Bühnendirektor Phelim McDermott der Zeitung „El Mundo“.

Glass beschwichtigt jedoch und betont, dass es ihm in der Oper keineswegs darum gehe, Disney in Grund und Boden zu verdammen. „Als ich die Arbeit zu dem Werk aufnahm, glaubten die Leute, ich würde mich über ihn lustig machen“, berichtete der Komponist. „Aber ich betrachte Disney auch als einen großen Visionär, der es fertigbrachte, Brücken zu schlagen zwischen anspruchsvoller Kunst und Unterhaltung.“

Außerdem sei die Oper keine Dokumentation. „Sie ist Poesie und bringt keine Fakten auf die Bühne, sondern Gefühle“, betonte der Amerikaner. Der 75-jährige Glass gilt in der US-Musikszene als der bekannteste Avantgardist. Der experimentierfreudige Schöpfer, einer der wichtigsten Vertreter des musikalischen Minimalismus, hat nicht nur Opern komponiert, sondern auch mit Popstars zusammengearbeitet und Soundtracks zu Hollywood-Filmen geschrieben. Sein Erfolg geht darauf zurück, dass er mit seiner Musik nicht nur das Bildungspublikum anspricht, sondern auch Rockfans.

Die Idee zu der Disney-Oper hatte der Intendant Gerard Mortier. Der Belgier hatte Glass auf den Jungk-Roman hingewiesen, als er noch bei der New York City Opera unter Vertrag stand. Dort sollte das Werk auch uraufgeführt werden. Mortier zog es dann aber nach Madrid. In der spanischen Hauptstadt trat er an mit dem Vorsatz, das Teatro Real in die Gruppe der führenden Opernhäuser in Europa einzureihen. Der ehemalige künstlerische Leiter der Salzburger Festspiele bewegte Glass dazu, an dem Opern-Projekt festzuhalten. „The Perfect American“ entstand schließlich als eine Koproduktion des Teatro Real und der English National Opera. Die Oper wird bis zum 6. Februar in Madrid und im Juni in London aufgeführt.

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