„Götterdämmerung“ für Kriegenburgs Regiekonzept

München (dpa) - Der Münchner „Ring“ hat sich geschlossen - und Andreas Kriegenburg sein Regiekonzept weitgehend über Bord geworfen. Das macht er bei der großen Festspiel-Premiere am Samstagabend an der Bayerischen Staatsoper auch gleich zu Beginn klar.

Seine Interpretation von Richard Wagners „Götterdämmerung“ beginnt umrahmt von Ausschnitten aus Nachrichtensendungen - und mit Menschen, die offensichtlich nach einer nuklearen Katastrophe ihre letzten Erinnerungsstücke abgeben müssen - Erinnerungen an die Fukushima-Katastrophe werden wach. Inszenierte Kriegenburg die ersten drei Werke der Wagner-Tetralogie „Ring des Nibelungen“ noch völlig frei von sozialpolitischen Bezügen, kommen sie im letzten Teil mit dem Holzhammer.

Kriegenburg inszeniert Siegfrieds Konfrontation mit einer Welt der Macht, Gier und Missgunst als Eintauchen des jungen, naiven Naturburschen in die kalte, moderne Konsumwelt einer Stadt am Rhein, in der die Menschen uniforme Anzüge tragen. Die Düsseldorfer „Kö“ lässt grüßen. Gutrune (Anna Gabler) reitet auf einem Euro-Schaukelpferd über die Bühne - der Euro und seine Zukunft sind ja schließlich gerade das Topthema schlechthin.

Hätte Kriegenburg nicht auch dieses Mal zum Schlussapplaus auf der Bühne gestanden, man hätte fast denken können, dass ein anderer Regisseur die „Götterdämmerung“ inszenierte als das „Rheingold“, die „Walküre“ und „Siegfried“. Denn plötzlich macht er all das, was er eigentlich angekündigt hatte, nicht zu tun.

„All diese Dinge, die versuchen, das Werk für den Zuschauer zugänglich zu machen, führen aber zu einem Dilemma“, hatte Kriegenburg vor der „Rheingold“-Premiere gesagt. „Sobald ich als Zuschauer Zuordnungen sehe und verstehe, habe ich große Schwierigkeiten, emotionale Nähe zu den Figuren aufzubauen. Wir versuchen, das zu unterlaufen und wollen die Figuren in ihren psychologischen Details wahrnehmbar machen.“ Jetzt gießt er Wagners Figuren in vorgefertigte Schemata, die noch nicht einmal sonderlich originell sind.

So ist dann auch der Applaus des Münchner Publikums nach rund sechs Stunden - mit Pausen - eher zurückhaltend, für Brünnhilde-Darstellerin Nina Stemme, Dirigent Kent Nagano und sein Orchester aber zu recht umso stürmischer und begeisterter. Auch Siegfried-Darsteller Stephen Gould und Wolfgang Koch als Alberich werden gefeiert, auch wenn Goulds Leistung im Vergleich zu Heldentenor Lance Ryan, der in der Titelrolle des „Siegfried“ brillierte, etwas verblasst.

Der wahre Held des Abends ist aber ohnehin ein anderer: Eric Halfvarson als Hagen. Die Premiere nämlich stand auf der Kippe. Erst musste Hans-Peter König nach der Generalprobe wegen einer Stimmbandentzündung aufgeben. Dann fiel in letzter Sekunde auch sein Ersatz Albert Pesendorfer aus - ebenfalls durch entzündete Stimmbänder außer Gefecht gesetzt, wie Opernintendant Nikolaus Bachler sagte, der sein Publikum an diesem wichtigen Abend im Münchner Musikkalender hochoffiziell selbst begrüßte. Halfvarson reiste übereilt und erst am Mittag aus Wien an. „Er ist quasi mit dem Fallschirm eingeflogen, um uns zu retten“, sagte Bachler. Und so zeigt sich Halfvarson am Schluss auch betont erleichtert und wischt sich scherzhaft vielsagend den Schweiß von der Stirn.

Das Fazit also nach vier „Ring“-Premieren an der Münchner Oper: ein gefeiertes „Rheingold“, eine uninspirierte „Walküre“, ein fast spektakulärer „Siegfried“ und eine „Götterdämmerung“, die einfach nicht so recht dazu passen will.

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