Gotye: Der Blick durchs Kaleidoskop

Der Australier Gotye ist das Pop-Phänomen des ausklingenden Jahres. Millionen klickten seinen Song über eine Trennung, jetzt wartet die Welt auf den 31-Jährigen aus Melbourne.

Düsseldorf. Die Nacktheit wird zunächst nur angedeutet. Erst wenn Gotye im Clip zu „Somebody That I Used To Know“ nach diesem verwunschen vibrierenden Marimba-Intro schließlich zu singen beginnt, wird vollends klar, dass da gerade jemand sein Innerstes entblößt. Der Song handelt von einer Beziehung, die in die Brüche geht, und der Angst davor, dass derjenige, mit dem man einige Jahre zusammen war, irgendwann nur noch irgendjemand ist, den man einmal gekannt hat. Mehr nicht.

Die Single hat sich im ausklingenden Jahr zu einem weltweiten Phänomen gemausert. In seiner Heimat Australien ist Gotye, der bürgerlich Wouter De Backer heißt, bereits seit vier Jahren kommerziell erfolgreich. Im Sommer erklomm „Somebody That I Used To Know“, dieses wunderbar verschachtelte Duett mit der neuseeländischen Indie-Newcomerin Kimbra, die Spitzenposition der australischen Verkaufscharts.

„Der Song war Maßarbeit, er hat unglaublich viele musikalische Elemente“, sagt Gotye im Gespräch mit dieser Zeitung. „Sechs Monate habe ich daran gefeilt, und als ich fertig war, hatte ich schon das Gefühl, dass er etwas Besonderes ausstrahlt. Dass er aber weltweit dermaßen einschlagen würde, darauf wäre ich im Traum nicht gekommen.“

Was ihn ausmacht? „Das kann ich nur mutmaßen“, versucht Gotye sich an einer Erklärung. „Vielleicht ist das Thema Trennung einfach etwas, womit sich viele identifizieren können. Es ist ein langwieriger Akt, man löst sich nur nach und nach. Songs über dieses Gefühl, nicht mehr derselbe zu sein, sind aber eher selten. Ich scheine da einen Nerv erwischt zu haben.“

Weit über 21 Millionen Mal wurde der dazugehörige Clip bei YouTube geklickt. Katy Perry verwendet die Nummer als Intro für die Konzerte ihrer Welttournee, Ashton Kutcher empfahl den Song via Twitter. Gotyes Plattenfirma Universal wurde vom plötzlichen Erfolg ihres Schützlings außerhalb Australiens so überrollt, dass der Veröffentlichungstermin des aktuellen Albums „Making Mirrors“ in Deutschland um einen Monat vorverlegt wurde.

Bereits seit zehn Jahren arbeitet Gotye in Australien als Musiker. Sowohl als Solo-Künstler als auch als Teil der Indie-Combo The Basics samplet er aus unterschiedlichsten Einflüssen neue Popsongs, die trotz ihres Stückwerks wie aus einem Guss klingen. Begonnen hatte er damit, als er von einem Nachbarn die Plattensammlung seiner verstorbenen Frau geschenkt bekam und die unterschiedlichen Stile der Kollektion miteinander kombinierte. „Im Haus meiner Eltern wurde nie viel Musik gespielt, wir haben höchstens mal zusammen gesungen“, erinnert sich Gotye, der im Alter von zwei Jahren nach Australien kam. Immerhin: Seinen Künstlernamen verdankt er seiner Mutter, die ihn Gaultier rief, die französische Version seines flämischen Namens Wouter.

Den Kritikern gefiel Gotyes Experimentierwahn, der kommerzielle Erfolg ließ aber auf sich warten. Ist es jetzt nicht seltsam, von der Nische in den Mainstream zu geraten? „Irgendwie schon“, sagt er. „Andererseits kommt das alles nicht plötzlich über mich. Ich sehe das eher als Teil einer allmählichen Entwicklung.“ 2007 erhielt er als bester männlicher Künstler den ARIA-Award, den australischen Grammy. Erschrecken kann ihn das öffentliche Interesse also nicht.

Genauso vielfältig wie Gotyes Einflüsse sind die Gefühlsbandbreiten, die er mit seinen Songs abdeckt: „Nur, weil die erste Single, mit der ich bekannt wurde, ein eher trauriges Thema hat, bin ich noch lange kein Melancholiker. Ich will mit meiner Musik das pralle Leben abbilden: Liebe, Verlust, Euphorie, Angst, Leidenschaft.“ Aus diesen vielen Einzelteilen wird etwas Ganzes, etwas Großes. Gotye gehört das kommende Jahr. Mindestens.

Termin: 25. Februar 2012, 20 Uhr, Live Music Hall, Köln

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