Green Day: Der Größenwahn hält sie oben

Drei Alben in drei Monaten? Für die Pop-Punker von Green Day kein Problem. Aber vielleicht für die Fans? Unser Autor meint: Nein!

Düsseldorf. Sie sind seit Jahren auf der Überholspur und widersprechen damit ihrem Bandnamen: Green Day — das steht nämlich für einen Tag voller Faulenzerei und Tütchen-Rauchen. Wobei: An der Sache mit dem Tütchen-Rauchen könnte was dran sein.

Schließlich flippte Frontmann Billie Joe Armstrong erst vor wenigen Wochen vor laufender TV-Kamera aus, zerschmetterte seine Gitarre, weil man seinen Song ein paar Sekunden zu früh ausblenden wollte — und trat kurz darauf kleinlaut eine Entziehungskur von was auch immer an.

Aber faulenzen? Nein. Das war noch nie das Ding von Green Day. Bislang haben sie immer nur geklotzt, nicht gekleckert. Der neueste Beweis für ihr Heldentum der Arbeit ist das Album „Tre!“, das jetzt in den Läden steht. Es ist das vorerst letzte Glied einer Kette, die sich quer durch Musik-Maloche, Größenwahn und Tonträger-Inflation zieht. Seit 1994.

Denn damals veröffentlichten Green Day — nachdem sie zuvor sieben Jahre lang den Highschool-Kids im linksalternativen Punkschuppen „Gilman“ ihrer kalifornischen Heimat Berkeley eingeheizt hatten — das dritte Bandalbum „Dookie“. Weltweit mehr als 15 Millionen verkaufte LPs und CDs sind kein Wunder. Die Tempo-Melodien in Songs wie „Basket Case“ oder „Welcome To Paradise“ sind unwiderstehlich.

Aus der „Gilman“-Szene, die Kommerz ablehnt wie der Teufel das Weihwasser, flogen sie deswegen zwar achtkantig raus. Für alle anderen aber war klar: Mit „Dookie“ hatten Green Day eben mal den Punk wiederbelebt und um den Zusatz „Pop“ ergänzt.

Zeitgenossen wie The Offspring und Blink 182 liefen dankbar hinterher — und staunten beim Stolpern durch die zu großen Fußspuren nicht schlecht, als ihre Wegbereiter nach drei weiteren Platten 2005 den nächsten Pfahl in die Musikhistorie rammten: „American Idiot“, die erste Rock-Oper seit The Who’s „Quadrophenia“.

Green Days Geschichte eines ewigen Verlierers, der den kläglichen Versuch unternimmt, Rache am kaputten System zu üben, landete sogar als Musical am Broadway und katapultierte Armstrong, Mike Dirnt (Bass) und Tre Cool (Schlagzeug) in die Stadien, wo sie die nächste Stufe des Punk zündeten — und ihn mit Feuerwerk und Konfettiregen endgültig zum Massenphänomen machten.

Die zweite Rock-Oper „21st Century Breakdown“, die 2009 hinterhergeschoben wurde, hätte jede andere Band um den Verstand gebracht und trieb den Straßenpunks und Irokesenschnitt-Trägern endgültig die Zornesröte ins Gesicht. Für die arbeitswütigen Jungs von Green Day indes war sie lediglich ein weiteres Projekt, um die überquellende Festplatte im Kopf vorübergehend mal wieder zu löschen.

Und jetzt ist da der dritte Teil einer Alben-Trilogie, die nach all dem Bombast der vergangenen Jahre eigentlich nur eine einzige Platte werden sollte, dann aber doch schnell in „Uno!“ (Eins), „Dos!“ (Zwei) und „Tre!“ (Drei) endete. Der Grund: Green Day hatten einfach zu viele Ideen im Kopf. Wie immer also.

Und weil Oper und Musical abgehakt waren, war klar: drei Platten in drei Monaten. Dass bei dieser Schlagzahl irgendwann die Qualität leiden muss, ist unvermeidbar: Auf „Tre!“ befinden sich — wie schon auf „Uno!“ und „Dos!“ — so einige an der Belanglosigkeit kratzende, einfach nur nette Songs. Die Texte sind Welten von der Punk-Lyrik auf „American Idiot“ entfernt.

Aber: Die Mehrheit der Stücke zeigt mit ihrem Pop-Punk in der Tradition der Ramones, warum dieser Band auch ein strenggläubiger Gralshüter des Punkrock wohlig lächelnd begegnen muss. Weil es kaum eine andere Band schafft, trotz Größenwahns so schön simpel und eingängig zu spielen wie in ihren Anfangstagen. Auch das ist Punk.

Termin: 7. Juni 2013, Rock am Ring

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