Hochkultur in der Obsthalle

Stocksee (dpa) - In rustikalem Ambiente beginnen beim Schleswig-Holstein Musik Festival die Musikfeste auf dem Lande. Die Konzerte bringen Klassikstars mit Nachwuchshoffnungen zusammen.

Hochkultur in der Obsthalle
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Picknick auf dem Rasen, Beethoven, Schumann und Rachmaninoff in einem Konzert-Saal, in dem sonst die Obsternte verarbeitet wird: So lässig kann Klassik sein. In der Idylle der Holsteinischen Schweiz, auf Gut Stockseehof, haben am Samstag mit begeistert aufgenommenen Konzerten die populären „Musikfeste auf dem Lande“ begonnen. Sie sind ein Markenzeichen des Schleswig-Holstein Musik Festivals seit dessen Start vor 28 Jahren.

Das Rezept, mit diesen musikalischen Landpartien Berührungsängste abzubauen, funktioniert bis heute. Zum Auftakt kamen 1300 sommerlich-lässig gekleidete Besucher in die Obsthalle; nur wenige weiße Plastikstühle blieben leer. Auch die vier weiteren Wochenend-Musikfeste auf den Gutshöfen von Hasselburg, Emkendorf, Wotersen und Pronstorf sind bestens gebucht. Bei den Abendkonzerten ist jeweils ein Stargast dabei, an diesem Wochenende die argentinische Cellistin Sol Gabetta - 25 Stunden vor dem WM-Finale in Brasilien zwischen Deutschland und ihrem Heimatland.

„Die Musikfeste auf dem Lande schaffen einen Zugang zur klassischen Musik auf ungezwungene und sympathische Weise - und sie bauen Hemmschwellen ab“, sagt Intendant Christian Kuhnt, der beim Auftakt dabei ist. „Darüber hinaus sind die Musikfeste ein Fest für die ganze Familie.“ Dem Auftaktkonzert folgt eine Stunde Pause im Park zwischen alten Linden bei Kaffee und Kuchen oder Currywurst.

In der Obsthalle erklingen am Nachmittag Stücke für Klavier, Violine und Violoncello, von Beethoven und Schumann über Felix Mendelssohn bis Rachmaninoff. Das Publikum lauscht erst dem Pianisten Martin Klett und dem Cellisten Charles-Antoine Duflot, dann dem blutjungen Lübschen Trio, alle drei unter 20 und Schüler. Wer die 30 Euro Eintritt sparen will oder es an der Luft einfach schöner findet, hört im Park beim Rauschen der Blätter in den Bäume der Außenübertragung zu.

Klett und Duflot spielen in bester Harmonie Schumanns Fantasiestücke, Manuel de Fallas Suite populaire espagnole und eine Beethoven-Sonate. Das Publikum dankt mit prasselndem Applaus und bekommt eine Zugabe. Danach genießt der Pianist im Park den Erfolg und das Ambiente. „Wunderbar, so gelöst und entspannt ist das hier“, sagt Klett, Jahrgang 1987. „Ich wünschte, ich wäre hier Publikum.“

Am Abend standen traditionelle Rhythmen aus Südafrika und Jazz auf dem Programm, mit Mitgliedern des MIAGI-Jugendorchesters. MIAGI steht für Music Is A Great Investment und ein Projekt, das nicht nur die Musiker aus dem einstigen Apartheid-Land zusammenbringt, sondern sich auch gegen Rassismus, für Menschenrechte und Demokratie einsetzt. Die Musiker sind in den großen Konzerthäusern der Welt zu Hause. Nun spielen sie in der Obsthalle auf dem altehrwürdigen Stockseehof - erstmals 1543 als Rittergut erwähnt.

Hier steigt traditionell das erste „Musikfest auf dem Lande“ während des Festival-Sommers, der bis 31. August dauert. In den Norden reisen nicht nur Klassikgrößen wie Wagner-Tenor Klaus Florian Vogt und Klarinettistin Sabine Meyer, sondern auch Popstar Elton John. Dieter Thomas Kuhn, Ina Müller und Max Raabe sind ebenfalls dabei.

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