Klaus Doldinger: Jazz überschreitet alle Grenzen

Paris (dpa) - Die UN-Kulturorganisation Unesco feiert an diesem Montag erstmals den Welttag des Jazz. Mit dabei ist der deutsche Saxofonist und Komponist Klaus Doldinger. Er stand am Freitagabend bei einem Auftaktkonzert in Paris auf der Bühne.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa beschreibt der 75-Jährige, was den Jazz ausmacht.

Herr Doldinger, die Unesco ist dafür bekannt, dass sie Zeugnisse vergangener Kulturen und künstlerische Meisterwerke schützt. Jetzt hat sie einen Welttag des Jazz ausgerufen. Müssen wir uns um den Jazz Sorgen machen?

Doldinger: „Ich würde es andersherum sehen. Es wäre nicht gut, wenn wir uns keine Sorgen machen würden. Direkt Sorgen machen muss man sich nicht, weil der Jazz eine lebendige Musik ist. Es gibt weltweit unzählig viele Musiker. Was die Begeisterungsfähigkeit insbesondere auch junger Musiker angeht, hat sich das eher noch verbreitert. Auf der anderen Seite ist das wirtschaftliche Wohlergehen angesichts der Bedrohung durch das Internet nicht ganz gesichert. Noch vor 20, 30 Jahren konnte sich ein Jazzmusiker ein bisschen zurücklehnen, wenn er einen Plattenhit gelandet hatte. Das ist heute schwieriger geworden.“

Ihr Musikerkollege Herbie Hancock hat sich dafür ausgesprochen, Jazz zum immateriellen Kulturerbe zu erklären. Warum hat der Jazz das Ihrer Meinung nach verdient?

Doldinger: „Das absolute Plus und Positive am Jazz ist seine grenzüberschreitende, rassenüberschreitende und sprachüberschreitende Wirkung. Zudem ist der Jazz eine musikalische Spontan-Ausdrucksmöglichkeit, die es zuvor nicht gab. Also ein bekanntes Stück kann man durchaus in eigener Version, in eigener Phrasierung und Auffassung spielen. Das ist in der herkömmlichen klassischen Musik so nicht der Fall. Da hängt man am Notenbild, selbst in der populären Musik gibt es Arrangements. Der Jazz gibt dem Musiker wirklich die absolut individuelle Möglichkeit des persönlichen Ausdrucks, die weit über die Ausdrucksmöglichkeiten der herkömmlichen Musik hinausgeht.“

Wenn Sie einen Blick auf die aktuelle Szene werfen: Was sind spannende Entwicklungen mit Zukunft? Wohin könnte die Reise gehen?

Doldinger: „Angesichts der Vielzahl der jungen Talente fällt es mir sehr schwer, da etwas Konkretes zu benennen. Tatsache ist, dass es mehr Jazzmusiker gibt denn je. Es ist unübersichtlicher geworden, die stilistische Vielfalt ist noch vielschichtiger geworden. Man darf nicht vergessen, dass die Randgebiete des Jazz bis hin zu Rap und Soul-Musik auf verschiedene Musikbereiche einen Einfluss ausgeübt haben. Den kann man sich gar nicht klar genug machen.“

Sie selbst sind seit Jahrzehnten Aushängeschild des deutschen Jazz. Auf welche Stücke sind Sie besonders stolz?

Doldinger: „Das ist sehr schwierig zu sagen bei über 2000 Werken. Die größte Breitenwirkung haben ganz klar die Stücke gehabt, die mir nicht so sehr als Jazz-Musiker zugeschrieben werden. Zum Beispiel die Filmmusiken zu „Das Boot“ und „Die Unendliche Geschichte“ oder die „Tatort“-Titelmelodie. Aber man darf nicht vergessen, dass ich auch andere Melodien geschrieben haben. Eine, die mir sehr am Herzen gelegen hat, war die für „Liebling Kreuzberg“ oder der Song „Hurra, wir leben noch“ für Milva aus dem Peter-Zadek-Film „Die wilden 50er“. Von den Stücken, die ich mit meiner Band „Passport“ spiele, gehört „Ataraxia“ dazu. Das kennen selbst die Fans in Neuseeland.“

Interview: Ansgar Haase, dpa

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