Komponist Wolfgang Rihm im Gespräch mit der WZ: „Musik kann nichts bauen“

Komponist Wolfgang Rihm wird 60 Jahre alt.

Karlsruhe. Der Komponist Wolfgang Rihm feiert seinen 60. Geburtstag. Sein Werk ist in Konzertsälen in aller Welt zu hören. Seine Geburts- und Heimatstadt Karlsruhe widmet ihm von Freitag an bis zum 6. April im Rahmen der Europäischen Kulturtage ein umfangreiches Programm mit Konzerten, Filmvorführungen, Ballettaufführungen.

Herr Rihm, ist Ihre Heimatverbundenheit zu Karlsruhe ein Bekenntnis zur Provinz?

Rihm: Wichtig ist doch, dass das Werk weltweit wahrgenommen wird. Die Bars und Partys der Metropolen sind überfüllt von Unwahrgenommenen.

Thomas Mann hat pro Vormittag eine DIN A 4-Seite gedichtet. Gehen Sie ähnlich beamtenmäßig ans Werk?

Rihm: Kunst entsteht, indem sie gemacht wird. Das braucht Zeit. Zeit braucht, um produktiv werden zu können, Rhythmus. Die Werke erzeugen ihren eigenen Entstehungsrhythmus. Ich folge diesem.

Kann man mit rund 350 Werken sein eigenes Schaffen noch überblicken?

Rihm: Ein Oeuvre entsteht ja nicht, um „überblickt“ werden zu können. Schon gar nicht vom Schaffenden selbst. Die Natur bringt Früchte ja auch nicht hervor, damit sie in Kisten à 25 Stück versandt werden können.

Wie schaffen Sie den Spagat zwischen so konträren Vorbildern wie Karlheinz Stockhausen und Wilhelm Killmayer?

Rihm: Ich empfinde da gar keine Veranlassung zu schaffenspsychologischer Verrenkung. Schließlich liegen die Dinge für den Eingeweihten sowieso nicht soweit auseinander, wie es die Zaungastperspektive des Tages jeweils nahezulegen scheint.

Gibt es einen Schlager, den Sie so richtig gut finden?

Rihm: Da bin ich nun wirklich kein Eingeweihter. Nobody is perfect.

Kritiker vergleichen Sie immer wieder mit Richard Strauss — eine Beleidigung, ein Kompliment oder einfach nur Unsinn?

Rihm: Ist es für einen Schriftsteller „beleidigend“, wenn er mit Goethe verglichen wird? Außerdem: Man wird sowieso immer verglichen — irgendwann auch mit sich selbst.

Was halten Sie von dem Motto der Europäischen Kulturtage in Karlsruhe „Musik baut Europa“?

Rihm: Musik kann nichts bauen, das wissen wir. Aber das Sprachbild ist apart, besonders zu Zeiten, wo man den Eindruck gewinnen muss, dass Europa gänzlich aus währungspolitischen Erwägungen besteht. Es scheint also noch etwas anderes zu geben.

Beginnt jetzt Ihr Alterswerk?

Rihm: Jeder Tag lässt dich doch in veränderter Gestalt dir selbst begegnen. Außerdem: Wann ein „Alterswerk“ beginnt, liegt nicht in der Hand des Künstlers, obwohl es nur seine Hand schaffen kann. Warten wir also ab. Wir werden es früh genug erfahren. Geduld!

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