Trotz mehr autodidaktischer als akademischer Studien wird er einer der einflussreichsten, geradezu stilprägenden Vertreter des deutschsprachigen Kunstgesangs. Er gehört zu den Begründern einer modernen vokalen Kunst, bei der dem Text eine ebenso große Bedeutung zukommt wie dem bloßen Schöngesang.

Fischer-Dieskau ist gerade 25 Jahre alt, als seine Weltkarriere beginnt. Anfang der 50er Jahre wird der bereits betagte Wilhelm Furtwängler auf ihn aufmerksam. Es entstehen Mono-Aufnahmen mit Mahler-Liedern, die bis heute zum Feinsten und Tiefgründigsten gehören, was die Tonträgerindustrie zu bieten hat. Der junge Mann singt mit einem erstaunlich reifen emotionalen Wissen. In den 60er bis 80er Jahren gilt er als "der Liedsänger" schlechthin. Bis zum 31. Dezember 1992 währt die aktive Sängerlaufbahn. Doch von der Bildfläche verschwindet er nicht: Fischer-Dieskau dirigiert, gibt Meisterkurse und übernimmt Rezitationen.

Anlässlich seines 85. Geburtstages ist jetzt eine Jubiläums-Box mit zehn CDs erschienen. Es sind vorwiegend frühere Aufnahmen aus den 50er bis 70er Jahren vertreten, also der Glanzzeit des Sängers. Enthalten sind viele der ganz großen Aufnahmen: Mahler unter Furtwängler und Kempe, die Liedzyklen von Schubert und Schumann, Lieder von Richard Strauss und Hugo Wolf.

Zu entdecken sind auch fulminante frühe Opernaufnahmen. Die späten Jahre, in denen seine Deklamation in oberlehrerhafter Attitüde zu erstarren drohte, spart die Edition aus. Von den fast 500 existierenden Einspielungen mit Fischer-Dieskau widmet sie sich lieber jenen Aufnahmen, die sein Können brillant dokumentieren.