Neue CD von Dillon: Morgens um fünf allein mit sich selbst

Dillon veröffentlicht „The Unknown“, das an Ansätze des Vorgängers anschließt. Es ist elektronischer, reduzierter und klarer als das Debütalbum. Ein Gespräch mit der Künstlerin.

Düsseldorf. Als Dominique Dillon de Byington, kurz Dillon, 2011 ihr Debütalbum „This Silence Kills“ veröffentlichte, war die Aufregung groß. Fans und Musik-Presse bejubelten diese Platte, ein sparsam instrumentiertes Album zwischen feinem Songwriting und effektvollem Einsatz von Elektronik, voller verletzlicher Intimität. Gestern ist mit „The Unknown“ der Nachfolger erschienen.

Dillon, Sie haben im Oktober ein Foto gepostet, unter dem stand, Sie wollten sich zurückziehen, um Ihren Frieden wiederzufinden. Ist das gelungen?
Dillon: Ich hab’ ein Album gefunden. Mir geht es besser als damals, aber Frieden ist das nicht.

Jetzt erscheint dieses Album. Hatten Sie vorher noch Ruhe?
Dillon: Nein, ich gab und gebe Interviews. Das ist recht anstrengend, weil ich permanent über mich rede. Ich habe das Gefühl, der einzige Moment, in dem ich nicht mit mir beschäftigt bin, ist, wenn ich schlafe.

Sie beschäftigen sich auch in Ihren neuen Liedern fast ausschließlich mit sich selbst . . .
Dillon: Richtig. Aber ich bin das nicht gewohnt. Als ich „This Silence Kills“ veröffentlicht habe, kam das Interesse sehr verteilt.

Wie hat Sie das erste Album verändert?
Dillon: Es hat mich nicht verändert. Es war toll, die Möglichkeit zu haben, so viel live zu spielen, dass ich so viel Aufmerksamkeit bekommen habe, weil die Shows ausverkauft waren. Aber sobald die Tour vorbei war, gab es keinen Unterschied. Ich gehe nicht wirklich aus, bin nicht besonders sozial, und das hat sich seitdem auch nicht verändert. Ich hab’ die gleichen Freunde, die ich seit mindestens acht oder zehn Jahren habe, bin nicht offener, nicht selbstbewusster geworden.

Wie liefen die Aufnahmen für das neue Album?
Dillon: Nach den Aufnahmen für „This Silence Kills“ dachte ich, jetzt geht’s auf Tour, und dann fange ich nach zwei oder drei Monaten mit den Aufnahmen für das nächste Album an. Und dann waren wir anderthalb Jahre auf Tour. In der Zwischenzeit habe ich aufgehört zu schreiben. Ich konnte einfach nicht. Bis zu „This Silence Kills“ war es so, dass ich sehr regelmäßig geschrieben habe.

Wie hat es letztlich geklappt?
Dillon: Indem ich aufgehört habe, draußen zu suchen. Ich habe verzweifelt nach Inspiration gesucht, und dann habe ich gemerkt, dass es überhaupt keine Rolle spielt, wo ich bin und was ich angucke, weil das nicht die Dinge sind, mit denen ich mich auseinandersetzen musste . . .

. . . sondern dass Sie das eben selbst sind . . .
Dillon: Ja, und das wollte ich lange nicht. Es ist einfacher, sich mit anderen zu beschäftigen.

Die permanente Beschäftigung mit sich selbst ist vermutlich anstrengend?
Dillon: Ja, auch weil ich gemerkt habe, dass manche Dinge, mit denen ich mich auseinandersetzen musste, schon seit vielen Jahren in mir sind. Irgendwann gab’s aber keinen anderen Weg mehr, also habe mich gezwungen, morgens um halb fünf.

Warum so früh?
Dillon: Das ist eine Zeit, in der ich nicht schlafe, aber auch nicht wach bin. Und es ist eine Zeit, in der ich sehr sensibel bin. Das war für mich der einfachste Weg, an mich selbst ranzukommen.

Auf dem neuen Album fehlen Hits wie „Tip Tapping“. Liegt das daran, dass Sie elektronischer werden wollten?
Dillon: Vor „This Silence Kills“ habe ich noch nie ein Album gemacht. Mit einem roten Faden habe ich dann die Lieder verbunden, die ich über Jahre gesammelt habe. Und die letzten beiden („Abrupt Clarity“ und „This Silence Kills“) gingen dann in die Richtung, die mich vielmehr beschäftigt hat. Es ist elektronischer, reduzierter und klarer. Das wollte und konnte ich mit den alten Liedern aber nicht.

Stattdessen haben Sie das auf dem neuen Album fortgesetzt.
Dillon: Genau, damals habe ich gemerkt, dass die Zusammenarbeit mit den Produzenten Thies Mynther und Tamer Farhi Özgenenc noch nicht beendet war.

Ist der Dialog abgeschlossen?
Dillon: Davor hat etwas gefehlt, und jetzt ist es komplett. Jetzt ist es vollkommen.

Ihre Lieder haben viel mit Stille zu tun, aber auch mit Geräuschen. Haben Sie ein Lieblingsgeräusch?
Dillon: Gute Frage. Es gibt Geräusche, die ich gar nicht mag. Ich finde es unangenehm, aufs Ohr geküsst zu werden. Es ist eigentlich herzlich und schön, aber es ist so laut, dass es fast körperlich wehtut. Aber es gibt sehr viele Geräusche, die ich mag. Eine Champagnerflasche öffnen — das Geräusch mag ich.

Zuletzt: Was soll das Cover?
Dillon: Was sehen Sie denn?

. . . Wasser oder Wolken.
Dillon: Sehen Sie, was Sie sehen möchten. Im Vergleich zu „This Silence Kills“ wollte ich die Punkte aus dem Gesicht nehmen und das schwarze Oberteil ausziehen. Aber ich wollte nicht alleine auf das Cover. Also habe ich Siggi Eggertson mit aufs Cover genommen, einen meiner engsten Freunde, der das Meer für mich gemalt hat.

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